Mittlere Reife

Champions League, 2. Spieltag / Olympique Marseille 3 BVB 0

Es reicht eben nicht ganz: Das ist die Erkenntnis aus der bitteren 0:3-Niederlage in Südfrankreich, bei der es Borussia Dortmund weniger an Qualität, sondern vielmehr an Wettkampfhärte mangelte. Das Abwehrverhalten, das Mats Hummels vor dem 0:2 und Lukasz Piszczek vor dem 0:3 an den Tag legten, wäre in der Bundesliga vielleicht nicht bestraft worden, ist aber zu naiv für die Champions League. Eine Frage der Reife – hoffentlich.

Das Spiel begann so, wie es fast schon zu erwarten war. Der BVB übernahm mutig die Initiative oder OM setzte konsequent das angekündigte Defensivkonzept von Didier Deschamps um – beide Auslegungen sind nicht falsch. Die Gastgeber zogen sich allerdings nicht bis an den eigenen Strafraum zurück, sondern störten die Schwarz-Gelben meistens rechtzeitig, um  keine allzu große Gefahr aufkommen zu lassen und hin und wieder einen Angriff fahren zu können. Das 0:1 verdankten sie aber – wie die anderen Treffer auch – dem Pech und der Naivität der Dortmunder Defensive. Subotic rutschte zentral am Sechzehnmeterraum aus und so konnte Remy ungestört auf links zu Ayew legen, der dann einen gelungenen Schuss ins rechte Eck platzierte. Es war einfach Pech, spielte OM aber selbstverständlich in die Karten.

Kurz vor dem Gegentor hatte Mario Götze eine große Chance gehabt, war jedoch am erwartet guten Keeper Mandanda gescheitert. Das Problem: Nach dem 0:1 zog sich Olympique weiter zurück und setzte noch mehr auf Konter. Und Mario war leider über weite Strecken der Einzige, von dem kreative Impulse ausgingen. Wenn man der Mannschaft, insbesondere der Abwehr, vorwirft, noch etwas zu naiv für die Champions League zu sein, dann muss man das auch über Jürgen Klopp sagen. Für die Fehler seiner Spieler konnte er selbstredend nichts. Wieso er jedoch zunächst erneut auf Ivan Perisic verzichtete, den Spieler, von dem momentan nach Götze die meiste Kreativität ausgeht, ist mir ein Rätsel. Perisic glänzt vielleicht nicht über 90 Minuten, ist aber ein Mann für die besonderen Momente – und die finden nicht immer erst nach einer Stunde statt. Mit Kehl und Bender gab es zudem genügend defensive Absicherung im Mittelfeld.

Anstelle des Neuzugangs vom FC Brügge spielte jedoch Kevin Großkreutz – hoffentlich nicht, weil der vor dem Spiel große Töne gespuckt hatte. Von Kevin war während der ersten Hälfte nichts zu sehen (das gilt übrigens ebenso für Shinji Kagawa). Kurz nach der Pause hatte der Dortmunder Jung zwei gute Szenen, aber damit hatte es sich auch schon. Es blieb Mario Götze vorbehalten, die Chancen nicht zu nutzen. Die der BVB vor allem zu Beginn der zweiten Hälfte, bis zum 0:2, hatte. Klopp schien die richtigen Worte gefunden zu haben. Mario scheiterte jedoch am Pfosten oder Mandanda und dann patzte Hummels. Für seine versuchte Kopfball-Rückgabe wie auch später für Piszczeks Abschirmversuch, der zum Elfmeter und dem 0:3 führte, gilt gleichermaßen: Kann man in der Liga gegen viele Gegner machen, wenn es richtig ausgeführt wird. Bei einem Auswärtsspiel in der Champions League muss man damit rechnen, dass ein Gegner zur Stelle ist und nachsetzt. Da muss man dann eben weniger elegant klären.

Piszczeks Ballverlust führte dazu, dass Remy, der bereits von Hummels Fehler profitiert und das 0:2 erzielt hatte, im Strafraum zu Fall kam. Kehl hatte ihn von hinten an der Wade getroffen. Es war vielleicht kein 100%iger Elfmeter, aber einer, den man geben kann. Remy fiel und es war keine Schwalbe. Dass dann Ayew gegen Weidenfeller traf, dürfte kaum einen BVB-Fan überrascht haben. Das Spiel war danach natürlich gelaufen. Die späte und berechtigte Gelb-Rote Karte gegen Jordan Ayew (nicht zu verwechseln mit dem Doppel-Torschützen) wegen einer Schwalbe half auch nicht mehr weiter. Einige Minuten nach dem 0:3 wurde Lucas Barrios eingewechselt, der zwei Minuten vor Schluss mit einem Kopfball noch die Latte traf. Trotzdem: An der Frage Barrios oder Lewandowski hat es gestern nicht gelegen. Robert bekam schlicht kaum Vorlagen, die er hätte nutzen oder vergeben können.

Ich stimmte gestern zur Abwechslung mal mit den Worten des Sky-Kommentators überein, der sinngemäß sagte: Man ist fassungslos, wie der BVB mit seiner Spielweise in dem Spiel 0:3 zurückliegen kann und doch ist es so einfach zu erklären. Die Reife, die den Schwarz-Gelben fehlte, müssen sie sich nun ganz schnell erarbeiten. Wenn das überhaupt geht. Wahrscheinlicher erscheint, dass meine Bedenken von vor der Saison sich bestätigen und es bereits zu spät ist. Für die Champions League, versteht sich. Läuft alles normal, spielt der BVB in den beiden Partien gegen Olympiakos Piräus um Platz 3. Auch das wird kein Kinderspiel, denn die Griechen wissen ebenfalls, woran sie sind und werden sich darauf einstellen. Nach diesem „Scheißabend“ (Jürgen Klopp) kann man sich immerhin keinen besseren Gegner in der Bundesliga vorstellen als den FC Augsburg.

Die Aufstellung: Weidenfeller (6) – Piszczek (5), Subotic (6), Hummels (5), Schmelzer (6) – Bender (6), Kehl (6) – Götze (7), Kagawa (5) (63. Kuba), Großkreutz (5) (63. Perisic) – Lewandowski (6) (72. Barrios). Gelbe Karte: Hummels.

6 Kommentare zu „Mittlere Reife

  1. „Das ist mal ein richtiger Scheißabend.“ Jürgen Klopp; Zitat Ende

    Dachte ich auch beim Lesen des Tickers.

    Dennoch, Platz drei ist realistisch in dieser Gruppe. Jetzt weiß man ja, wie die beiden big guns in der Gruppe drauf sind, das hilft. Piräus ist sicher zu schlagen, egal ob auswärts oder zuhause. Arsenal sind unbeständig und verunsichert und wer weiß, was im Emirates Stadium geht, Marseille hingegen scheißen auf die Liga und brillieren in der Champions League, wenn man es zulässt.

    Platz drei in der Gruppe bedeutet auch, dass man einen Schritt weiter ist als in der letzten Saison, als schon vor Weihnachten das Ende der Fahnenstange in Europa erreicht war.

    Mit dem Ausfall von Barrios ist es erwiesen, dass dahinter ein zweiter Mann fehlt, der die Buden macht; Lewandowski ist zu unbeständig. Und Götze heisst ab sofort Chancentod.

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  2. Gestern fragte jemand, ob sie lachen oder weinen soll. Ich persönlich hatte mich zum Lachen entschieden. Es war einfach unglaublich was da passierte. Vorweg: Warum Bender und Kehl auf der 6 spielten, verstehe ich nicht ganz. Hat Klopp womöglich einen offensiveren Gegner erwartet? Auch Perisic hätte ich nicht wieder rausgenommen. Wir brauchen die Torgefahr aus dem Mittelfeld. Und wir brauchen einen kreativen 6er. Es fehlte uns nämlich mal wieder die Anbindung zwischen Abwehr, Mittelfeld und Angriff.

    Zum Spiel: Die Jungs spielen ihren Stiefel ganz ordentlich gegen die tiefstehenden Franzosen und dann rutscht Neven (mal wieder) aus und zack, 0:1. Danach war bis zur Pause totale Verunsicherung. Klopp hat es dann aber geschafft den Spielern wieder Leben einzuhauchen und so kam der BvB mit breiter Brust aus der Kabine. Plötzlich hat man sich sogar viele Chancen erarbeitet, aber die Pille ging nicht in den Kasten. Ich glaube, die Kaltschnäuzigkeit kann man nicht lernen. Die hat man von Gott bekommen oder sie kommt im Laufe der Jahre durch Erfahrung. Mit diesem Problem müssen wir also weiterhin leben. Ein Miroslav Klose hätte uns sicher weitergeholfen. Trotzdem dürfen wir nicht mit der Kohle um uns werfen. Ich finde den Kurs den wir fahren richtig gut, auch wenn man diese schmerzhaften Rückschläge hinnehmen muss.

    Das 0:2 fällt dann wieder in eine Druckphase, diesmal nach einem Bock von Mats. Da erkennt man, wie gegen Paris, Sevilla und Arsenal, auch den Unterschied. Die haben die Erfahrung die uns noch fehlt und nutzen die wenigen Chancen. Vor dem 0:3 lässt sich dann Piszczek abkochen (der 3. Bock, das hatte ja Kölner Verhältnisse) und Kehl verursacht mehr oder weniger den Elfer. Einfach wahnsinn, wie schnell es geht. Aber zum Glück ist man unter Klopp selten in so einer Situation gewesen. Gegen die Blauen haben wir mal ein 0:3 in ein 3:3 gewandelt und in Lemberg gewannen wir 4:3. Ansonsten fällt mir nur das 1:5 gegen die Bayern mit 3 Gegentoren ein.

    Bemerkenswert war aber wieder die Einstellung. Selbst nach dem 0:3 haben die alles versucht um doch noch ein Tor zu machen. Die Jungs geben sich nie auf und gestehen sich eben auch Fehler ein und versuchen daraus zu lernen, was meistens gelingt. Deshalb sind wir auch zukünftig so stark. Wir brauchen nun Geduld und müssen den Spielern Zeit geben. Ansich ist ja nichts passiert. In der Liga an den Europaleaguerängen dran und in der Königsklasse müssen wir nun zwei Siege gegen Piräus holen. Dann hätten wir übrigens den 3. Platz schon sicher und Marseille sowie London klauen sich derweil gegenseitig die Punkte. Es ist alles drin, wir müssen einfach weiter Fußball spielen.

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  3. Wie immer gut zusammengefasst Nick. Für mich war diese Niederlage noch bitterer als das verlorene Spiel in Hannover. Wenn man überlegt das die gesamte Mannschaft eine CL Erfahrung von 30 Spielen hat, kann man schon von fehlender Reife sprechen. Man muss aber auch festhalten das Hummels, Subotic und Pisczek Nationalspieler sind und dort auch schon einige Erfahrung sammeln konnten. Ich muss auch lange zurückdenken um einen ähnlichen Fauxpas von Hummels zu finden, wie den gestrigen.

    Der Wechsel Großkreutz für Perisic hat auch mich überrascht. Nichts gegen Kevin, aber momentan kann er außer seinem Einsatz nicht viel bewirken. Der Einzige der mich gestern überzeugen konnte war Mario, mal abgesehen von seiner Abschlussschwäche, ansonsten erwischten alle keinen guten Tag. Kagawa wirkte zu fahrig und nervös, Robbie konnte die Bälle trotz großer Bemühung nicht behaupten.

    Das Ganze kam mir gestern vor wie eine Kopie der Spiele im letzten Jahr. Man beherrscht den Gegner, überragt in allen Werten (Laufleistung, Ballbesitz, Torchancen) aber verliert 0:3
    Deshalb wirkt es für mich wie ein Aufguss wenn Kloppo meint, es sind noch 12 Punkte zu vergeben und er wisse was in der Mannschaft für ein Potential stecke. Aber was nützt es bitte wenn man die Spiele nicht gewinnt und sich so vorführen lässt. Das Spiel in Piräus und die beiden Heimspiele werden gewiss kein Selbstläufer, ich denke auch mehr als Platz 3 ist einfach nicht drin.

    Vielleicht sollte man auch nicht immer auf Teufel komm raus auswärts in der CL versuchen das Spiel zu machen, sondern sich auf die Basics konzentrieren. Hinten gut stehen und dann gefährlich kontern so wie in der letzten Saison. Die letzten Niederlagen sind doch vordergründig nur passiert, weil wir in Konter geraten sind und hinten dann Unordnung herrschte.

    Für mich sieht es so aus als hätte die Mannschaft aus dem bitteren Ausscheiden der letzten Saison keine relevanten Schlüsse gezogen oder es nicht geschafft diese konkret umzusetzen. Umso bitter, da man ja weiß das die nötige Qualität vorhanden ist, aber scheinbar nicht abgerufen werden kann.

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  4. @Pilstim :

    in der Sache mit dem 6er geb ich dir recht. Auch wenn Gündogan noch viel lernen muss ist er im Spielaufbau doch viel kreativer als Kerl und außerdem in der Lage den tödlichen Pass zu spielen. Schätze aber mal Klopp wollte die Defensive stärken und einfach paar frische Kräfte bringen.

    hinsichtlich der Chancenverwertung eines Stürmers möchte ich nur mal kurz auf Mario Gomez verweisen.
    Könnt ihr euch an letzte Saison erinnern, als er in Dortmund die Dinger reihenweise versemmelte und wie abgezockt er in den letzten Monaten auftritt.
    Auch Klose und Barrios haben schon die dicksten Dinger vergeben.
    Dennoch hat auch der BVB schon bewiesen das er aus wenigen Chancen viel machen kann. (die beiden Siege in München und Leverkusen letzte Saison)

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  5. @Christoph: Mit dieser Sichtweise auf Platz 3 kann ich mich anfreunden. Es wäre ein Fortschritt gegenüber letzter Saison und in der 2. EL-Runde müsste auch noch nicht Schluss sein. Bei der nächsten CL-Teilnahme, wenn sie nicht erst in fünf Jahren kommt, wäre die Mannschaft vielleicht für den nächsten Schritt bereit. Aber natürlich wird erst aufgegeben, wenn rechnerisch nichts mehr möglich ist. 😉

    @Pilstim: Ich hätte den Gedanken hinter der defensiven Doppel-6 verstanden, wenn Klopp dafür die torgefährlichste Dreierreihe davor aufgestellt hätte. Eben Götze, Kagawa, Perisic. Kehl und Bender haben sich bis auf Kehls Fehlpass gegen Arsenal nicht schlecht angestellt. Großkreutz ist vielleicht etwas defensivstärker als Perisic, aber das hätten wir im Mittelfeld gar nicht gebraucht. Wir hätten mehr Kreativität und Torgefahr gebraucht, so dass Mario nicht auf sich allein gestellt gewesen wäre. Fairerweise muss man sagen, dass Kevin zurzeit unser bester Torschütze ist. Aber eben nicht in den letzten Spielen und Chancen kreiert hat er proportional gesehen weniger als Perisic.
    Ich denke, am Samstag wird wieder Gündogan spielen. Und hoffentlich Perisic.

    @Andy: Hummels ist Nationalspieler, aber da hat er nicht unbedingt seine besten Spiele gemacht. Und die deutsche Nationalmannschaft ist natürlich, wenn man das so vergleichen will, weiter und gefestigter als der BVB.

    Klopp sollte sich in der Tat Gedanken machen, ob es auch taktisch Optimierungsbedarf gibt. Da weiß er mehr als ich. Möglicherweise wären gegen manche Gegner zwei echte Stürmer und ein weniger massives Mittelfeld besser. Obwohl gerade letzteres in der letzten Saison unsere Stärke war. Aber jetzt ist eben manches anders.
    Wobei man sagen muss, dass es gestern weniger an den Kontern von OM lag (außer beim 0:1). Wir haben uns gar nicht so sehr überrumplen lassen, es waren einfach nur dumme, naive Fehler.

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  6. Da geb ich dir recht Nick, die Spiele von Hummels in der Nationalelf waren vor allem durch häufige Fehler im Spielaufbau geprägt.

    Ich denke auch das uns die Spielweise mit einer Spitze am besten liegt, aber vielleicht sollte man auch mal den Gegener kommen lassen und nicht immer auf Teufel komm raus nach vorn stürmen.
    Mir ist vermehrt aufgefallen das wir wieder mehr hohe Bälle, häufig von den beiden Innenverteidigern geschlagen, spielen. Letzte Saison mit Nuri auf der sechs haben wir öfter flach gespielt, was natürlich seiner Kreativität geschuldet war, die uns jetzt etwas fehlt.

    Wir können enfach nur hoffen das die Mannschaft sich jetzt durch mehrere Erfolgserlebnisse Sicherheit holt für die nächsten Aufgaben und weiterhin von Verletzungen verschont bleibt. Leider stößt mir da die Länderspielpause schon wieder etwas sauer auf und morgen gegen Augsburg ist ein Sieg Pflicht.

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