Ja, wir können absteigen

1. Bundesliga, 19. Spieltag / BVB 0 FC Augsburg 1

Es wird Zeit, sich mit diesem Gedanken vertraut zu machen: Leider ist es nicht so unwahrscheinlich, dass Borussia Dortmund nach 39 Jahren in der höchsten deutschen Fußballliga wieder mal absteigt. Zumindest nicht so unwahrscheinlich, wie die allermeisten Fans – und nicht nur schwarz-gelbe – bisher gedacht haben. Das ist der heutige Stand. Denn wenn man Winterpause-übergreifend die letzten Wochen betrachtet, gibt es nur zwei Klubs, die ähnlich schwach aufgetreten sind: Hertha BSC und Paderborn (auch wenn der VfB nur wenig besser war).

In der Verfassung vom gestrigen Spiel kann der BVB gegen alle anderen Teams verlieren, sogar gegen die genannten. Bis zum Gegentor lief die Partie leidlich ordentlich, die Borussia ließ wie gegen Leverkusen wenig zu, auch wenn sie sich wieder einige Fehlpässe zu viel erlaubte. Die Außenverteidiger – und diese Wiederholung macht mürbe – waren offensiv nahezu wirkungslos. Aushilfe Kevin Großkreutz machte ein besonders schwaches Spiel und leitete mit einem Fehlpass auch das Gegentor ein. Trotzdem ist sein Ausfall mit einem Muskelbündelriss eine weitere Schwächung. Schmelzer schlug eine gelungene Flanke, dafür sah er beim 0:1 am Ende der Fehlerkette zusammen mit Nuri Sahin auch besonders dumm aus. Leider kamen auch Pässe und Flanken der offensiveren Kampl und Aubameyang nicht gut, waren häufig zu lang – bei Letzterem nichts neues.

Dennoch, die Rückkehr des schnellen Auba ist einer der wenigen Lichtblicke für die Borussia. Sein Lauf führte zu Jankers Platzverweis. Er hat auch schon bewiesen, dass er treffen kann. Es wäre mal einen Versuch wert, ihn neben Immobile in einem Zweier-Sturm einzusetzen. Dass der Italiener mit seinem Kopfball aus kurzer Distanz Torwart Manninger traf, ist verzeihbar. Es war eine Aktion aus vollem Lauf – immerhin kam er zum Abschluss.

Doch insgesamt blieb am Mittwoch der Eindruck, dass die Schwarz-Gelben derzeit zu viele Schwachstellen haben – Spieler, die ihr Potenzial nicht ausschöpfen und solche, die falsch eingeschätzt wurden und werden. Auch das Kollektiv gibt zu denken: Wie die Mannschaft nach dem Gegentor und erst recht nach dem Platzverweis gespielt hat, war schwer erträglich. Auch wenn es natürlich in der letzten Viertelstunde durch Augsburgs extreme Mauertaktik nicht einfach war.

Der Abstieg ist also eine reale Gefahr. Und doch gibt es noch genügend Chancen, ihn zu verhindern. Nur zwei Punkte ist Platz 15 entfernt, auf dem der nächste Gegner SC Freiburg steht. Und der VfB spielt gegen den FC Bayern. Da es derzeit spielerisch aber an fast allem hapert, ist dieser Trost kein echter. Vielleicht fehlt dem Team auch ein wenig das Gefühl des K.O.-Systems. Letztendlich bleibt dieser Erklärungsversuch wie die meisten anderen hilflos.

Jürgen Klopp und das Team müssen dennoch weiterarbeiten, mit den Spielern, die derzeit zur Verfügung stehen. Die Personaldebatten heben wir uns also noch ein Weilchen auf. Resigniert habe er nicht, versicherte der Trainer in der Pressekonferenz vor dem Freiburg-Spiel. Großkreutz steht sechs Wochen nicht zur Verfügung, ob Piszczek oder Durm rechtzeitig fit werden, um ihn zu ersetzen, steht noch nicht fest. Bei den Gastgebern, die von den Bürgern der Stadt Freiburg gerade das Ok für ein neues Stadion gekriegt haben, fällt unter anderem Offensivmann Admir Mehmedi aus – allerdings wussten die beiden Neuen vorne drin, Petersen und Möller Daehli, bisher durchaus zu gefallen. Für einen Auswärtssieg muss beim BVB noch einiges besser werden.

Die Aufstellung: Weidenfeller – Großkreutz (60. Subotic), Sokratis, Hummels, Schmelzer – Sahin, Gündogan – Aubameyang, Reus (72. Kagawa), Kampl (72. Mkhitaryan) – Immobile

8 Kommentare zu „Ja, wir können absteigen

  1. Bin da ganz Deiner Ansicht. Was mich wundert ist dieser Totalabsturz. Letzte Saison noch Titel- und CL-Aspirant. Und jetzt Zweitliganiveau. Das kann doch nicht nur am Abgang von Lewa liegen? Für mich ein totales Rätsel.

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  2. Ganz können wir das Rätsel ja alle nicht lösen. Aber es war natürlich ein Prozess, eine Spirale. Am Anfang war das Problem, dass zu viele wichtige Spieler gleichzeitig verletzt oder noch nicht wieder richtig fit und leistungsfähig waren. Und dazu noch der Torgarant weg war. Wie sich die Krise so verselbstständigen konnte, dass nichts mehr half – das ist das Unerklärbare.

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  3. Ich muss leider zugeben das ich bis zum Augsburg Spiel immer noch mit einem Auge nach Europa geschielt habe. Mittlerweile ist das aber Geschichte und ich habe das erste Mal in der Saison richtig Angst das unser BVB absteigen könnte.
    Man sagt ja immer, solange man sich noch Torchancen erspielt und das Tor nicht trifft, sollte man sich keine Gedanken um den Abstieg machen. Aber was in der Hinrunde noch funktionierte ist uns jetzt völlig abhanden gekommen.

    Es war einfach nur traurig mit anzusehen was unsere Spieler nach dem Augsburger Platzverweis auf dem Rasen anboten. Es gibt wirklich nicht Einen der zur Zeit Normalform aufweist, keinem gelingt etwas am Ball, es wird nur noch umständlich gespielt nach vorn.
    Das Einzig positive ist vielleicht das wir hinten etwas sicherer stehen und besser gegen den Ball arbeiten.

    Gegen Freiburg fehlt mir jegliches Vertrauen das es diesmal klappen sollte. Ich kann nur hoffen das wir es irgendwie hinbekommen in Führung zu gehen. Von mir aus auch mal mit nem Abseitstor oder nem unberechtigten Elfer.. Aber sobald wir in Rückstand geraten wird der mentale Druck unsere Spieler wieder lähmen und wir werden das Spiel verlieren.

    Sollte das der Fall sein wird es auch irgendwann Zeit für Kloppo das er die Reißleine zieht. Ich wünsche es ihm sehr das er die mentalen Blockaden löst, doch irgendwann greifen die Gesetze des Marktes. Man sollte wirkich ALLES probieren damit der Club in der Liga bleibt und die Spieler kann man nun mal nicht austauschen. Ich hoffe er erreicht die Mannschaft noch, wer am Samstag spielt ist mir eigentlich fast egal.

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  4. Ich gebe dir absolut recht, dass der Verein mit seinen vielen Angestellten wichtiger ist als eine Person. Aber ich denke, noch hat Klopp unser aller Vertrauen verdient, auch mit Blick auf die vielen erfolgreichen Jahre. Dieses Geschäft ist so schnelllebig – es braucht u.U. nur einen zusammengewürgten Sieg in Freiburg und das nötige Selbstbewusstsein könnte wieder da sein, um zumindest die unmittelbare Abstiegsregion zu verlassen.

    Es kann auch anders kommen. Dann ist aber wirklich guter Rat teuer, denn welcher Trainer, der uns helfen kann, wäre denn ablösefrei zu haben? Ich sehe kaum einen, der zu uns kommen würde und uns ad hoc besser machen könnte.

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  5. „Gegen Freiburg fehlt mir jegliches Vertrauen das es diesmal klappen sollte.“ Geht mir genauso.

    Aber solange Roman Weidenfeller immer noch meint, sein Selbstbewusstsein spazieren führen zu müssen („die Tabelle ist nur eine Momentaufnahme“) und nur ein Neuzugang wie Kevin Kampl zeigt, was Engagement und Spielwitz ist, solange ist der BVB weiter im Sinkflug Richtung 2. Liga.

    Wieso lassen die Spieler auf dem Platz die Köpfe hängen, als hätte man ihnen auf dem Spielplatz die Schaufel weggenommen? Es gibt Mannschaften, die, wenn sie in Rückstand geraten, ernstlich verärgert sind und das auch auf den Platz bringen, egal wie. Nicht so der BVB. Dabei sind es nicht die Resultate, die die Mannschaft zu Verlierern stempeln, sondern die Art und Weise, wie sie Resultate zustande kommen.

    Die Statik innerhalb der Mannschaft stimmt nicht (mehr), die Position der Außenverteidiger wird seit Jahren vernachlässigt, die Weiterentwicklung der Mannschaft stagniert und zwar bereits seit der letzten Saison. Klar, wenn’s mal nicht läuft, hat man als Zuschauer immer alles besser gewusst, nur: Diese Punkte waren bereits vor der Saison offensichtlich.

    Mittlerweile ist klar, dass Spieler wie Großkreutz, Schmelzer, Subotic und Weidenfeller ihren Zenit überschritten wohl überschritten haben. Dass es nicht ausreicht Spieler einzusammeln, die, wie Klopp immer gerne sagt, „gut kicken können“. Vergleicht man die Entwicklung der letzten Jahre beispielsweise mit der anderen Borussia, dann fällt auf, dass dort die Entwicklung der Mannschaft sowie der Spielidee deutlich besser funktioniert hat. Gut, die Fohlen hatten dafür nicht die Hand an der Schale, nur: Selbst wenn die Fohlen einen beschissenen Tag haben, sind sie immer noch sehr unangenehm zu spielen. Das kann man von unserer Borussia nicht sagen.

    Ich würde mit dem gesamten Kader für den Rest der Saison vor oder nach dem Spieltag irgendwo ein Pflichtspiel in der zweiten Liga besuchen. Nicht als Drohung, sondern als anschauliche Lerneinheit, was Fußball eigentlich alles sein kann.

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  6. Es ist doch so: Vor dem Augsburg-Spiel waren die meisten eher optimistisch gestimmt und wurden enttäuscht. Jetzt ist die Stimmung anders – vielleicht ja auch das Ergebnis. Bei dem Potenzial, das ja ohne Zweifel im Kader steckt, ist das sehr schwer vorherzusagen.

    Es bleibt ja nichts übrig als weiter zu hoffen. Wir müssen dem Strudel entkommen, der entstanden ist, weil sich individuelle Schwächephasen und kollektive Verunsicherung gegenseitig verstärken. Irgendeiner von den weniger Schwachen muss einfach mal treffen, irgendwie.

    Und nach der Saison muss dann eine ehrliche Analyse ohne Tabus kommen.

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  7. „Es bleibt ja nichts übrig als weiter zu hoffen.“ So isses, leider. Nur müssen wir endlich aufhören, auch wirklich wie ein Absteiger zu spielen.

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