Die Zahlen liegen auf dem Tisch: In ungewohnter Offenheit hat Borussia Dortmund heute auf seiner Webseite die Summe genannt, die der bevorstehende Wechsel von Ousmane Dembelé zum FC Barcelona in die Vereinskassen spülen wird. Wirklich überraschend ist diese umfassende Bekanntgabe natürlich nicht. Schließlich sollen Aktionäre und Fans wissen, dass man finanziell ein gutes Geschäft gemacht hat.
Es geht um eine fixe Ablösesumme von 105 Millionen Euro, die durch diverse Boni auf knapp 150 Millionen steigen kann. Der „Kicker“ rechnet damit, dass sie am Ende etwa 140 Millionen betragen wird – eingerechnet sind die Nachschläge, die an wahrscheinlich eintreffende Bedingungen geknüpft sind. Am Erlös wird auch der vorherige Klub des Spielers, Stade Rennes, in beträchtlichem Ausmaß partizipieren. Der Transfer kommt zustande, wenn Dembelé am Montag in Barcelona den Medizincheck besteht.
Nun geht also ein kurzes Kapitel schwarz-gelber Spielergeschichte zu Ende, das richtig geil anfing, aber äußerst unrühmlich endete. Leider wird über das Verhalten von Ousmane Dembelé schnell Gras wachsen, wenn er mit Barca neue Schlagzeilen schreibt. Natürlich werden wir BVB-Fans uns noch eine Weile an sein Pokaltor gegen Bayern erinnern, aber ansonsten ist mein Bedürfnis, über Dembelé persönlich zu reden, eher gering. Was ihn letztendlich zu seinem Streik veranlasst hat, ist aber dennoch noch einen Gedanken wert. Schon komisch, dass gleich zwei Spieler, an denen der FC Barcelona interessiert war, in den letzten Tagen nicht trainiert haben. Gerard Piqué vom katalanischen FCB vermutet ja auch beim angeblich kranken Philippe Coutinho vom FC Liverpool eine Arbeitsniederlegung. Komplett die Idee der Spieler?
Die Bewertung des zweitteuersten Transfers aller Zeiten – und damit natürlich deutschen Rekordes – aus BVB-Sicht führt zu einem Dilemma. Als langjähriger Fan, der zu seinem Verein steht, muss man sagen: Die handelnden Schwarz-Gelben haben aus einer schwierigen Situation das Beste gemacht. Die Wertsteigerung Dembelés innerhalb eines Jahres ist immens. Andererseits: Nachdem der Neymar-Transfer endgültig den moralisch kranken Profifußball bloßgestellt hat, ist der BVB von der ausgelösten Lawine erfasst worden und muss nun selbst astronomische Summen fordern, um weiter mitspielen zu können. Dieser Logik kannst du als Verantwortlicher nicht entrinnen.
Kommen wir zum Praktischen: Was sollte die Borussia bis zum Ende der Transferphase unternehmen? Diejenigen, die jetzt vorschnell fordern, doch einfach erst mal gar nichts zu tun, machen es sich ein bisschen einfach. Oder sagen wir es so: Es kommt auf deren Begründung an. Wenn ich in Kommentaren lese, André Schürrle könne die Position doch auch spielen, frage ich mich: Jungs und Mädels, was habt ihr geraucht? Für Ousmane Dembelé gibt es im BVB-Kader Stand heute genau einen vergleichbaren Ersatz: Christian Pulisic. Das heißt nicht, dass der in jeder Partie auf Dembelés Niveau spielen kann. Doch er bringt eine Reihe von Fähigkeiten mit, die auch der Franzose hatte. Ganz banal erklärt: Er ist schnell, kann flanken und auch selber treffen.
Man muss sich aber in der Tat überlegen, ob es Sinn macht, nun bis Ende August einen vollwertigen Ersatz für Dembelé zu holen. Denn natürlich werden abgebende Vereine aufgrund der Kurzfristigkeit und in Kenntnis der vom BVB eingenommenen Ablöse entsprechende Summen aufrufen. Alternativ könnte man einen Mann aus der zweiten Reihe holen, wie es die Borussia schon häufig erfolgreich praktiziert hat – und ansonsten auf Pulisic vertrauen. Oder man verstärkt sich in anderen, weniger kostenintensiven Bereichen. Machen die Schwarz-Gelben gar nichts, müsste man sich zumindest darauf verständigen, die Saisonziele moderat nach unten zu korrigieren.