Der Sommer der Fanvereine

In Russland wird gekickt, ganz England bejubelt Harry Kane. Im Mutterland des Fußballs sind aber auch, wie anderswo, eine Menge Leute damit beschäftigt, neue Kader für ihren Verein zusammenzustellen. Eine Aufgabe, die unter anderem Geduld und gute Nerven erfordert. Ganz besonders, wenn man für einen nicht auf Rosen gebetteten, von Fans geführten Verein tätig ist.

Die Mutter aller englischen Fanvereine ist der AFC Wimbledon – so war es kürzlich noch mal bei Alina Schwermer nachzulesen. Die ‚Wombles‘ haben keine berauschende Saison gespielt und dennoch ihren vielleicht größten Triumph gefeiert. Zum einen ist der Klassenerhalt in der League One durchaus als Erfolg zu bewerten. Zum anderen wird der AFC Wimbledon in der Saison 2018/19 zum ersten Mal höherklassiger spielen als der Vaterverein, der sich auf Geheiß der Vereinsführung vom Standort West-London lossagte und in die Planstadt Milton Keynes zog. Die MK Dons starteten 2017/18 als Mitfavorit auf den Aufstieg und stiegen am Ende in die League Two ab.

Die Vereinsführung der Wombles weist diese Vergleiche immer weit von sich, den Fans dürften sie aber deutlich mehr bedeuten. Ein weiterer Grund zur Freude: Letzten Winter wurden die Pläne für einen Stadionneubau in Wimbledon genehmigt, nur 200 Meter entfernt von der früheren Heimat an der Plough Lane. Damit kehren die Wombles womöglich schon in der übernächsten Spielzeit in ihren Heimatkiez zurück.

Der Abstieg der Milton Keynes Dons kostete unterdessen deren Trainer den Job. Womit wir beim zweiterfolgreichsten Fanverein Englands wären: Exeter City. Bei den ‚Grecians‘ saß Paul Tisdale zwölf Jahre auf der Bank – die zum Ende der abgelaufenen Saison längste Amtszeit im englischen Profifußball. Doch nun verabschiedet sich ‚Tis‘ mit dem zweiten verlorenen Play-Off-Finale in zwei Jahren zum künftigen Ligakonkurrenten Milton Keynes – wo es natürlich deutlich mehr Geld zu verteilen gibt als beim Fanverein Exeter.

Langjähriger Trainer beim Spielerklau erwischt

In der vorletzten Saison hatte der Exeter City Supporters Trust, der im Verein bei wichtigen Entscheidungen das letzte Wort hat, gegen eine automatische Verlängerung des Vertrags mit Tisdale votiert. Damals steckten die Grecians im Abstiegskampf. Tisdale dürfte das stärker getroffen haben als er seither zugeben wollte. Vielleicht ist es aber auch wirklich Zeit für neue Impulse. So beeindruckend der erneute Einzug in die Play-Offs war – im entscheidenden Moment mangelte es dem Team wieder an Durchsetzungskraft.

Neuer Trainer wird ein Mann mit Stallgeruch: Der 36-jährige Matt Taylor spielte vier Jahre für City und trainierte zuletzt die U23 des Vereins. Exeter ist für seine hervorragende Jugendakademie bekannt. Gerade erst schaffte es ein weiterer Spieler daraus in die erste Mannschaft: Jordan Storey etablierte sich in der zweiten Saisonhälfte in der Innenverteidigung. Und schon ist er wieder weg – für angeblich eine Million Euro zum Zweitligisten Preston North End.

Der zweite, noch größere Transfer-Schock folgte heute: Der 24-jährige Kapitän Jordan Moore-Taylor, ebenfalls Innenverteidiger und ebenfalls aus dem eigenen Nachwuchs, folgt Paul Tisdale nach Milton Keynes. Und zwar umsonst, obwohl er noch ein Jahr Vertrag besaß. Möglich machte es eine Ausstiegsklausel für den Fall des Nichtaufstiegs. Und die Fans sind doppelt sauer: natürlich auf Tisdale, aber auch auf die Vereinsverantwortlichen, die die Klausel absegneten. Für Matt Taylor, unerfahren als Profi-Trainer, dürfte es ganz und gar nicht einfach werden, wieder Ruhe und Zuversicht in den Verein zu bringen. Freude macht derzeit höchstens die neue Tribüne, die im St. James Park gebaut wird.

Alles gut in Hereford?

Besser ist die Stimmung weitere zwei Ligen tiefer. Kein Wunder, wenn man drei Meisterschaften hintereinander holt und somit dreimal aufsteigt. Hereford FC, der Phönix-Klub, der dem bankrotten Hereford United nachfolgte, wird 2018/19 in der sechstklassigen National League North antreten. Der Profibereich (ab Liga 4) ist wieder in Sichtweite.

Manch einem kann es natürlich nicht schnell genug gehen und so kam leichte Unruhe auf, als in Pablo Haysham und Stürmer John Mills zwei Leistungsträger den Verein verließen. Mills ließ verlauten, er habe nur eine „moderate Gehaltserhöhung“ verlangt. Ungewöhnlich ist eine hohe Fluktuation an Spielern auf diesem Level allerdings nicht. Inzwischen hat Trainer Peter Beadle den Kader schon wieder deutlich auffüllen können; einige Erfolgsgaranten der letzten Saison verlängerten zudem. Mit Harry White kam jüngst ein Stürmer, der schon einmal auf der Gehaltsliste des damaligen Drittligisten Barnsley stand.

Geht die Erfolgsgeschichte dieses teilweise fangeführten Vereins – es gibt hier eine interne 50+1-Regel und der Supporters Trust soll auf Sicht die Mehrheit am Klub halten – unvermindert weiter? Das glauben wohl nicht mal die größten Optimisten. Ein Positivbeispiel, wie viel man auch in einer mittleren Stadt bewegen kann (Hereford hat knapp 59.000 Einwohner), sind die guten Bullen allerdings schon. Zur nächsten Saison tritt übrigens erstmals auch eine Frauenmannschaft des Hereford FC an – etwas, auf das man bei Borussia Dortmund weiter vergeblich wartet.

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