Ärger, verlorene Hoffnung, Apathie – das sind die drei Gefühlsregungen, die man derzeit besonders häufig aus Social Media Posts herausliest, die sich mit dem englischen Zweitligisten Preston North End beschäftigen. Zumindest bis zum vergangenen Wochenende, denn am Samstag und Dienstag folgten zwei positive Ergebnisse auf dem Platz. Zunächst wurde in einem kleinen Derby der Tabellenletzte Wigan Athletic mit 2:1 bezwungen (der große Lokalrivale kommt aus der Küstenstadt Blackpool). Unter der Woche folgte dann ein 0:0 gegen Coventry City. Beide Partien fanden im heimischen Stadion Deepdale statt.
Moment, ein torloses Unentschieden zu Hause als Stimmungsaufheller? Man muss das im Kontext der zuvor spielerisch wie ergebnistechnisch bescheidenen Auftritte vor heimischer Kulisse sehen. Vor der Partie gegen Wigan holten die Lilywhites aus sechs Liga-Heimspielen einen Punkt, bei 5:14 Toren. Und gegen den Tabellenletzten hatten die Fans am Samstag auch eine ersten Hälfte gesehen, die sie mit lauten Unmutsbekundungen bedachten. Doch dann drehte Preston die Begegnung noch und war am Dienstag gegen Coventry die spielerisch und kämpferisch überzeugendere Mannschaft, auch wenn diese Partie torlos blieb. Was gegen die „Sky Blues“ durchaus bemerkenswert ist; haben die doch in Viktor Gyökeres einen für Championship-Verhältnisse absoluten Top-Stürmer, dem im Sommer ein gut dotierter Wechsel in die Premier League zugetraut wird.
Kritik an Trainer Ryan Lowe
In den letzten Monaten konnte man eine gewisse Entfremdung von Teilen der Preston-Fans gegenüber ihrem Club ausmachen. Der minimalistische Saisonauftakt mit nur zwei Toren aus acht Partien, die aber zu elf Punkten und Platz 10 in der Tabelle reichten, war ebenso kurios wie auch ein wenig langweilig. Doch immerhin stand die Abwehr, denn der Grundstein der damaligen Platzierung war, dass die Lilywhites in den angesprochenen acht Begegnungen nur ein Gegentor kassierten. Diese Zeiten sind jedoch vorbei und die Fans erinnerten sich daran, dass Trainer Ryan Lowe zu Saisonbeginn attraktiven, offensiven Fußball versprochen hatte.
Man sollte die angesprochenen Äußerungen in den sozialen Medien tunlichst nicht mit dem Empfinden aller Fans gleichsetzen. Doch die Unzufriedenheit mit dem während der letzten Spielzeit verpflichteten Lowe wuchs mit dem Rückgang positiver Ergebnisse. Auch im durchaus reflektierten Fan-Podcast From the Finney wurde Kritik geäußert und es war eine gewisse Lethargie zu spüren. Ein Hauptkritikpunkt an Lowe war dort, dass von ihm selten Selbstkritik zu hören sei, sondern er gerne alle möglichen anderen Faktoren für die ausbleibenden Erfolge verantwortlich mache. Ob dieser Vorwurf so gerechtfertigt ist, sei mal dahingestellt. Persönliche verbale Angriffe von Fans im Stadion, die auch From the Finney verurteilt hat, hört sicher niemand gerne. Gegen diese hatte sich Ryan Lowe ebenfalls gewehrt, weswegen zuletzt eine kleine Eiszeit im Verhältnis zu den Fans – zumindest den überkritischen – herrschte. Nach der Partie vom Dienstag hatte dann ein wenig Tauwetter eingesetzt.
Preston fehlt sportliche Perspektive
Kontext ist bekanntlich König. Warum also ist die Stimmung so schwankend bis kritisch, wo North End doch mit 46 Punkten auf Platz 12, im absoluten Mittelfeld der 24 Clubs umfassenden Championship steht? Bei zwölf verbleibenden Partien sind es acht Punkte bis zu den Play-Offs. Auf die Abstiegsplätze haben die Lilywhites bereits 15 Punkte Vorsprung. Man kann mit gutem Recht argumentieren, dass eine Position im Mittelfeld der zweiten Liga der Leistungsfähigkeit des gesamten Vereins entspricht. Schließlich muss die Eigentümer-Familie Hemmings jährlich einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag investieren, um die Verluste nicht zu groß werden zu lassen. Und die Hemmings sind kein Golfstaat.
Mit dem Zuschauerzuspruch kann man in dieser Spielzeit sogar halbwegs zufrieden sein: Durchschnittlich 15.257 Menschen sahen die bisher 18 Championship-Partien in Deepdale – auch damit liegt Preston auf Platz 12 der entsprechenden Tabelle. Gut 23.000 passen ins Stadion rein – im Pokal gegen die Spurs (0:3) waren immerhin gut 21.000 da.
Das Problem ist: Die Mehrzahl der Fans im Stadion hat North End noch nie erstklassig spielen sehen. 1961 stieg Preston aus der damaligen First Division ab und kehrte nie in die höchste Spielklasse zurück. Da kann man schon mal ungeduldig werden. Der reflektiertere Teil der Anhänger/innen akzeptiert wohl, dass der Aufstieg angesichts der finanziellen Rahmenbedingungen nicht unmittelbar bevorsteht. Insgeheim hofft man auf einen neuen Eigentümer oder Investor – gemunkelt wird darüber viel, Konkretes hört man derzeit nicht. Die Verhandlungen mit dem US-Amerikaner Chris Kirchner Anfang 2022, der davor und danach Derby County übernehmen wollte, wurden von Vereinsseite abgebrochen. Glücklicherweise, wie sich später herausstellen sollte. Inzwischen werden Kirchner von FBI und Staatsanwaltschaft Untreue zum Nachteil des Logistik-Software-Unternehmens Slync vorgeworfen. Dessen CEO war der Mittdreißiger von 2017 bis 2022.
Fortschritte abseits vom Platz
Was die North End-Fans mit der derzeitigen Situation versöhnen könnte, wäre neben spielerisch überzeugenden Auftritten ein Eingehen der Vereinsführung auf weitere von den Anhängern geäußerte Kritikpunkte. Dazu gehören das an einigen Stellen undichte Dach von Deepdale, die ungünstig gelegene und als unzureichend empfundene Fanzone, das arg überschaubare Angebot im Fanshop und die Qualität des Caterings im Stadion. Ein Anfang von Seiten des Vorstands ist gemacht: In einer Mitteilung ging man Ende Januar auf alle beanstandeten Punkte ein und versprach Veränderungen. Der Name für die neue Fanzone, die im April eröffnen soll, ist inzwischen gefunden.
Vor einer Woche wurde der neue Trikot-Ausrüster bekanntgegeben, der auch den Fanshop am Stadion und online betreiben soll. Es handelt sich um das erst 2016 gegründete Unternehmen Castore, das bisher unter anderem die schottischen Rangers, Newcastle United und das englische Cricket-Team ausstattet. PNE-Vorstandsmitglied und Quasi-CEO Peter Ridsdale nennt Castore „one of the fastest-growing sportswear brands in the market“. North End-Sympathisanten dürften vor allem auf schöne Trikots und Trainingwear hoffen – und auf ein reichhaltiges ergänzendes Angebot im Shop, das höchstens mit den Vereins-Insignien gebrandet ist.
Dass der Verein an einigen Stellschrauben dreht, ist gut. Dass die Wahrheit auf dem Platz liegt, bleibt wahr. Wenn notwendiger Realismus bei den Fans, Transparenz und Kommunikationsfreude von Seiten des Vorstands sowie sportliches Engagement von Trainer und Spielern zusammenkommen, könnte die Saison 2022/23 für Preston North End doch noch versöhnlich enden.