Da dreht sich was beim BVB

Schon vor Ende dieser besonderen Saison kam bei Borussia Dortmund das Personalkarussell in Schwung. Eine Fülle von entsprechenden Nachrichten purzelte seit letzter Woche aus dem Newsticker. Zeit für einen Überblick samt Einordnung…

Auf der Führungsebene gab es gleich zwei folgerichtige Entscheidungen, von denen höchstens eine ein wenig überrascht. Sportdirektor Michael Zorc und Trainer Lucien Favre machen beim BVB weiter. Ersterer über seinen bisher kommunizierten Abschiedstermin im Juni 2021 hinaus für ein weiteres Jahr. Letzterer Stand jetzt bis zu seinem Vertragsende im Juni 2021. „Susi“ Zorc wollte den Verein nicht während der Corona-Krise oder ihrer Nachwehen verlassen. Mit Sicherheit wird der Transfermarkt auch nächstes Jahr kein leichter sein. Es ist also eine logische Entscheidung, dass kein derzeit Verantwortlicher, der ordentliche Arbeit gemacht hat, jetzt von Bord geht.

Die Reaktionen auf Favres Bleiben sind gespaltener. Zu sehr haben einige schwer entschuldbare schwache Auftritte der Mannschaft das gute Gesamtbild getrübt. Viele erwarten vermutlich von Lucien Favre keinen Turnaround mehr in Sachen Motivation und Einstellung des Teams. Dennoch ist sein Bleiben ähnlich logisch wie das von Zorc. Wo sind denn die Alternativen, um den ausgewiesenen Fußballfachmann zu ersetzen? Außerdem muss der BVB den jüngsten Zahlen nach auch über die finanzielle Seite eines Rauswurfs und einer folgenden Neuverpflichtung nachdenken. Es wird ja ausdrücklich nicht über eine Verlängerung mit Favre gesprochen, bis der Verlauf der Saison 2020/21 absehbar ist. Den gewagten Anspruch, den Meistertitel zu holen, will Hans-Joachim Watzke für die kommende Spielzeit nicht wiederholen – eine Rückkehr zur Zurückhaltung, wie sie all die Jahre zuvor gute Tradition war. Weiterlesen „Da dreht sich was beim BVB“

Thomas Schaaf und das Rätsel des verlorenen Erfolgs

Schwache Phasen hatte Werder Bremen schon öfter, gerade in einer Hinrunde. Was die aktuelle Saison für die Grün-Weißen so schmerzhaft macht ist, dass sich die Erfolgslosigkeit über alle drei Wettbewerbe erstreckt. Champions League: als Gruppenletzter ausgeschieden. DFB-Pokal: ausgeschieden (unglücklich). Liga: Tabellenzehnter mit zehn Punkten Rückstand auf die CL-Plätze. Neben der Ernüchterung, im neuen Jahr in keinem europäischen Wettbewerb mehr vertreten zu sein, ist es vor allem die Art und Weise, wie die Mannschaft in der Liga aufgetreten ist, die Fans wie Verantwortlichen Kopfzerbrechen bereitet. In zu vielen Spielen brach das Team nach einem Rückstand ein und kassierte hohe Niederlagen, etwa in Hannover (1:4), Stuttgart (0:6) oder Gelsenkirchen (0:4).

Würden solche Resultate und Spielverläufe nicht ein Mentalitätsproblem nahelegen, könnten die Bremer die Probleme allein mit ihrem zweifellos enormen Verletzungspech erklären. Gerade die Defensive war von Ausfällen auf allen Positionen betroffen, die Stammspieler Naldo und Boenisch fehlen noch immer. Im Sturm zeigte sich, dass Claudio Pizarro nicht zu ersetzen ist, auch nicht von Hugo Almeida. Doch abgesehen davon fehlte Aaron Hunt plötzlich jede Inspiration und der österreichische Neuzugang Arnautovic bestätigte bisher eher seinen fragwürdigen Ruf als frühere Leistungen. Diskutieren kann man auch, ob Torsten Frings noch der geeignete Kapitän für Werder 2010/11 ist – seine häufigen Nörgeleien legitimierte er zu selten durch überzeugende Auftritte auf dem Platz.

Die Leistungen auf und neben dem Platz ließen die Werder-Fans sogar zunehmend an Thomas Schaaf zweifeln, da dieser angesichts der geballten Enttäuschungen ratlos wirkte. Gerade ‚rechtzeitig‘ vor der Partie in Dortmund zeigt sich jedoch wieder mal ein Silberstreif am Horizont. In den letzten drei Pflichspielen blieben die Bremer ohne Niederlage, am Dienstag besiegten sie Inter Mailand mit 3:0. Die Italiener waren schon weiter, schonten einige Stammkräfte und unternahmen keine großen Anstrengungen, den Rückstand zu drehen. Trotzdem kann Werder mindestens aus einem Grund Hoffnung schöpfen: Claudio Pizarro kehrte nach seiner Verletzungspause zurück und traf gleich zum 3:0. Somit könnten die Bremer bald wieder die Alten sein – hinten Buden kassieren, vorne genügend machen.

Der BVB sollte gewarnt sein und die bisherige Bremer Saison außer Acht lassen. Obwohl neben den beiden Abwehrspielern auch Wesley und Hugo Almeida fehlen werden, wäre es typisch für diesen Verein, wenn sie ausgerechnet gegen den Tabellenführer ihre Formkrise überwinden könnten. Während die Defensive uns die eine oder andere Chance gewähren wird, muss man eine Offensive mit Leuten wie Marin, Arnautovic und Pizarro als brandgefährlich bezeichnen.

Bei der Borussia ist Stürmer Lucas Barrios ins Training zurückgekehrt und wird, wenn er 100%ig fit ist, wohl Robert Lewandowski wieder auf die Bank verdrängen. Bei der Besetzung des offensiven Mittelfelds hat Jürgen Klopp ein Luxusproblem: Kagawa sollte gesetzt sein, für die zwei Außenpositionen kommen mit Großkreutz, Götze und Kuba drei Spieler in Frage. In dieser Woche dürften da die Trainingseindrücke eine entscheidende Rolle spielen.

Jürgen Klopp hat die Mannschaft darauf eingestimmt, kein leichtes Spiel zu erwarten, sondern die Bremer hochkonzentriert zu „bearbeiten“. In den letzten Jahren hatten wir gegen diesen Gegner viele spannende, unberechenbare Partien. Auch in dieser Saison sollten die Schwarz-Gelben erst mal zwei, drei Tore schießen, ehe man vielleicht mal an Sevilla denken kann.

Der coolste Hund

Jose Mourinho hat Inter Mailand zum ersten Europapokal-Sieg seit 12 Jahren und zum ersten Landesmeister-Pokal seit 45 Jahren geführt. Und obwohl Deutschland nach dem 0:2 der Bayern nun keinen vierten CL-Platz für die übernächste Saison bekommt, muss man anerkennen, dass der Sieg Inters vollkommen verdient war. So cool wie Trainer Mourinho ist, so cool spielte dessen Mannschaft. Effektiv und – wenig überraschend – nach dem Führungstor abwartend. Inter konnte es sich leisten, denn die Defensive machte so gut wie keine Fehler und die Bayern bissen sich die Zähne aus. Echte Chancen des FCB waren selten, häufiger dagegen Verzweiflungsschüsse, die mehrere Meter über das Tor flogen.

Dieser Jose Mourinho kann ohne Zweifel besser gewinnen als verlieren, aber gegenüber seiner Arroganz wirkt die (gelegentlich an den Tag gelegte) der Bayern-Bosse provinziell und vorhersehbar. Und die Jubelgesten und Post-Match-Auftritte von ‚the Special One‘, wie er in England genannt wird, sind allemal unterhaltsamer als die von van-gute-Laune-Gaal. Insofern hat die Saison 2009/10 am Samstag einen würdigen Abschluss gefunden und Real Madrid kann sich für die Zukunft berechtigte Hoffnungen machen, mal wieder über das Achtelfinale der Champions League hinauszukommen. Leider ist der spanische Rekordmeister bei weitem nicht so cool wie sein wahrscheinlicher neuer Trainer.

Nur noch toller Fußball

Erwartet uns in der kommenden Saison endlich mal wieder so richtig spektakulärer Fußball in der Bundesliga? Man könnte den Eindruck gewinnen, dass uns da eine Revolution bevorsteht, wenn man die einschlägigen Sportzeitschriften liest oder den Erwartungen, die im Umfeld vieler Vereine geäußert werden, Gehör schenkt. Besonders ausgeprägt sind diese Erwartungen bei den Klubs, die einen neuen Trainer verpflichtet haben, sprich den Bayern, dem BVB, Leverkusen und S 04. Attraktiven, offensiven Kombinationsfußball werden die Neuen spielen lassen, das ist das teils selbsterklärte, teils von Presse und Fans erhoffte Ziel ihrer Arbeit. Für diesen Stil stehen Jürgen Klopp, Bruno Labbadia und Jürgen Klinsmann in ihrer Eigenschaft als ‚junge, moderne Trainer‘ und Fred Rutten in seiner Eigenschaft als Holländer.

Inwiefern werden sich die Erwartungen erfüllen lassen? Nun, die Bayern haben die Spielfreude bisher (zumindest auf deutschem Boden) weitgehend vermissen lassen und nun schon den zweiten Titel verpasst: Nach dem ‚Supercup‘ entging ihnen auch der größtmögliche zu gewinnende Pokal (das ist durchaus wörtlich zu verstehen), der ‚Franz Beckenbauer-Cup‘, dank einer 0:1-Niederlage gestern gegen Inter Mailand.

Aber mal ernsthaft: Ob wirklich alle vier neuen Trainer ihren Stil durchsetzen können, erscheint mir fraglich. Dazu braucht es ja nicht nur die Vorgabe, sondern auch die passenden Spieler und einen Gegner, der den Angriffsfußball zulässt. Zwar haben alle vier betreffenden Vereine teils neue, teils schon bekannte Akteure, denen man temporeichen Kombinationsfußball zutrauen kann. Aber der Erfolgsdruck und taktische Zwänge werden dafür sorgen, dass auch in Zukunft immer mal wieder abwartend und vorsichtig gespielt wird, gerade nach Niederlagen.

Um das klar zu sagen: Ich hoffe auch auf eine positive spielerische Entwicklung, gerade in Dortmund, aber im Zweifelsfall sind mir die drei Punkte immer noch wichtiger. Man sollte keine ZU hohen Erwartungen schüren, nur weil kein Trainer (in Deutschland) heute mehr ankommt und sagt „ich lasse Catenaccio spielen“…