Volle Kapelle gegen Stuttgart

Dieser launige Ausdruck von Jürgen Klopp aus der Pressekonferenz vor dem Stuttgart-Spiel bedeutet keineswegs, dass Borussia Dortmund am Freitagabend seinen vollen Kader zur Verfügung hätte. Vielmehr wollte der Trainer zum Ausdruck bringen, dass niemand, der dem BVB körperlich und spielerisch weiterhelfen kann, geschont wird – etwa wegen eines Champions League-Spiels.

Es gibt jedoch eine Reihe von Spielern, die definitiv nicht auflaufen können. Die Grippewelle hat Dortmund immer noch im Griff. Erik Durm und Kuba sind nach wie vor betroffen; Mats Hummels fehlt ebenfalls schon einige Tage und scheint eher kein Thema für Freitag zu sein. Dagegen könnten sich die Optionen im zentralen Mittelfeld dank der möglichen simultanen Rückkehr von Sven Bender und Sebastian Kehl schlagartig erhöhen. Sollten sie topfit sein, könnten sie eine Alternative darstellen – ansonsten gibt es wenig Änderungsbedarf bzw. -möglichkeiten.

Der VfB Stuttgart ist trotz Huub Stevens neuerdings Tabellenschlusslicht, ohne in den letzten Partien katastrophal aufgetreten zu sein. Immerhin ging es auswärts nach Köln und Hoffenheim sowie zu Hause gegen Gladbach und Bayern. Trotzdem fehlt den Schwaben die spielerische Rafinesse, die der BVB zuletzt hier und da wieder gezeigt hat. In dieser Hinsicht ist jedoch der Winter-Neuzugang fürs Mittelfeld Serey Dié zu beachten, der vom FC Basel kam. Dagegen müssen die Gastgeber am Freitag auf Kapitän Christian Gentner verzichten, der gesperrt ist und auch noch Vater wird.

Jürgen Klopp erwartet morgen einen aggressiven VfB auf einem schlechten Platz. Für die Borussia muss beides kein Nachteil sein. Aggressivität kann sich auch in Fehlern äußern, gerade bei schwierigem Untergrund. Die Schwarz-Gelben haben dagegen bereits in Freiburg bewiesen, dass sie mit solchen Voraussetzungen zurechtkommen können. Dagegen steht für die Stuttgarter bisher ein einziges Rückserien-Tor zu Buche.

So scheinen die Chancen für den sage und schreibe dritten BVB-Sieg in Folge nicht so schlecht zu stehen, auch wenn es gegen den VfB wirklich nicht immer rund lief. Vorbedingung: Ähnliche Aufmerksamkeit wie zuletzt, gepaart mit Selbstbewusstsein.

Kein Karneval vor Rosenmontag

Borussia Dortmund steht trotz Feierlaune unter den eigenen Fans nach der Reus-Verlängerung zunächst vor der Aufgabe, am Freitagabend den Gästen aus Mainz ein fröhliches Karnevalswochenende zu vermiesen. Nach wie vor gehört der Klub aus der Landeshauptstadt zu den sympathischsten der Liga und leistet erstaunlich gute Arbeit. Doch nach dem Abschied von Thomas Tuchel läuft es in dieser Saison noch nicht reibungslos. Europa League- und Pokal-Aus, schwankende Leistungen in der Liga – wohin die Reise mit dem neuen Trainer Kaspar Hjulmand geht, bleibt abzuwarten.

Der Däne hat viel ausprobiert. Jürgen Klopps Aussage in der heutigen Pressekonferenz, dass er nicht wisse, welche Formation er von Mainz zu erwarten habe, klingt plausibel. Bei der Heimniederlage gegen die Hertha handelte es sich um ein 4-2-3-1, das dem der Borussia ähnelte. Eine Änderung am Freitag dürfte dennoch nicht unwahrscheinlich sein.

Neben dem Spanier Jairo, der vom aus Gelsenkirchen ausgeliehenen Christian Clemens ersetzt werden dürfte, stehen den Mainzern auch Moritz und Nedelev nicht zur Verfügung. Am gravierendsten dürfte die Gäste jedoch der Ausfall des jungen Torwart-Shooting-Stars Loris Karius treffen, der gesperrt ist. Für ihn kommt zum ersten Mal von Beginn an die griechische Nummer 2 im Kasten, Stefanos Kapino, zum Einsatz. Außerdem könnten die Schwarz-Gelben dem aus eigenem Haus verliehenen Jonas Hofmann gegenüberstehen.

Jürgen Klopp hat das Hinspiel in der Coface-Arena als den eigentlichen Beginn der Dortmunder Talfahrt ausgemacht – damals gab es eine dumme 0:2-Niederlage nach dem Gala-Auftritt gegen Arsenal. Vor der Chance zur Wiedergutmachung hat sich die schwarz-gelbe Stimmung aufgehellt. Personell stehen dem Trainer offensiv jede Menge Alternativen zur Verfügung; nur Kuba könnte mit einer Nasennebenhöhlenentzündung ausfallen. Kevin Großkreutz, zuletzt defensiv eingesetzt, fehlt ebenfalls. Dazu gesellen sich mit dem kranken Durm sowie Kehl und Bender, die noch nicht im Mannschaftstraining sind, weitere Defensivspieler. Es dürften also erneut Schmelzer und Piszczek außen sowie Sahin und Gündogan im zentralen Mittelfeld beginnen.

Kann die Borussia das Ausmaß an Selbstbewusstsein und Freude am Spiel aus Freiburg bewahren, wäre Mainz 05 ein Gegner, der uns derzeit liegen könnte. Mit einem Sieg mit drei Toren Differenz würde der BVB an den Gästen vorbeiziehen; mit jedem Sieg würde eine tolle schwarz-gelbe Woche gekrönt und gegenüber der Konkurrenz im Abstiegskampf ordentlich vorgelegt. Weniger sollte es aber auch nicht sein.

Erlösung im Breisgau

1. Bundesliga, 20. Spieltag / SC Freiburg 0 BVB 3

Borussia Dortmund hat den ersten Schritt zurück zur Normalität geschafft. Das mag nach allem was passiert ist etwas hoch gegriffen klingen, doch der Auswärtssieg in Freiburg war zusammen mit dem Hinspiel der beste Saisoauftritt der Schwarz-Gelben in der Bundesliga. Natürlich lag das auch am Gegner, dem wir offensichtlich nicht liegen. Auch gestern offenbarte die Freiburger Abwehr Schwächen, die selbst die vom BVB in den letzten Monaten gezeigten Defizite noch überboten. Doch das zumindest vergleichsweise extrem überzeugende 3:0 zeigte jedem aufmerksamen Beobachter, was der Dortmunder Kader leisten kann. Das Wichtigste: Auch die Mannschaft selbst dürfte das gemerkt haben.

Jürgen Klopps Änderungen der Startelf – Subotic für Sokratis, Kagawa für Immobile, den Aubameyang in der Spitze ersetzte – waren nicht direkt naheliegend. Sie müssen wohl auf Trainingseindrücken beruht haben. Entscheidend daran war nur, dass Pierre-Emerick Aubameyang ganz vorne ran durfte und davon befreit war, weite Flanken schlagen zu müssen. Was sich für den Sportclub verheerend auswirkte. Auba war an allen drei Treffern maßgeblich beteiligt. Beim ersten, der für den BVB perfekterweise nach 09 Minuten fiel, war er nach einem zu kurzen Rückpass von Frantz auf Torwart Bürki zur Stelle und überließ den Ball am Ende Reus, der das leere Tor vor sich hatte. Das 2:0 nach einem perfekt getimeten Pass von Gündogan war in der Folge Auba pur und beim dritten krönte er einen Spielzug wie zu besten Dortmunder Zeiten, an dem unter anderem der eingewechselte Kuba beteiligt war.

Man konnte vom gestrigen Spiel bei sonnigem Wetter, aber nach Meinung der Gastgeber bescheidenem Rasen schlichtweg nicht mehr erwarten. Aus schwarz-gelber Sicht war es eine von Anfang an viel konsequenter und sicherer geführte Partie – schon vor dem frühen 1:0 hatte die Borussia zwei Chancen. Und ja, es wirkte auch alles viel positiver, wie von Jürgen Klopp gefordert. Sicher war die Führung, so banal das klingt, extrem wichtig. Denn der BVB konnte danach genau das machen, was ihm zuletzt selten vergönnt war: Das Spiel aus der eigenen Hälfte kontrollieren und auf Möglichkeiten zu schnellen Gegenstößen warten. Der Freiburger Offensive fehlten weitgehend die Ideen für ein Gegenrezept.

Neven Subotic fand sich nach zwei Unsicherheiten in der ersten Hälfte sehr gut in die Partie hinein und auch Shinji Kagawa machte eine solide Partie. Am ehesten könnte man hinter den sehr unauffälligen Nuri Sahin ein Fragezeichen setzen, aber in Wahrheit wäre es unfair, nach diesem Turnaround etwas zu kritisieren.

Natürlich: Niemand sollte sich dazu hinreißen lassen, die Lage jetzt plötzlich wieder rosarot darzustellen. Zum einen, weil die Freiburger gestern ein in fast allen Aspekten schwacher Gegner waren. Zum anderen, weil auch andere Klubs im Tabellenkeller im Aufwind sind: Bremen, der HSV und sogar Hertha BSC haben ebenfalls gesiegt, die ersten beiden bereits mehrfach. Huub Stevens‘ VfB wird ebenfalls ein unangenehmer Gegner sein; vom Effzeh Köln wissen wir das bereits. Trotzdem: Der Glaube an das gute Ende ist zurück in Dortmund. Das könnte entscheidend sein.

Die Aufstellung: Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Hummels, Schmelzer – Gündogan (80. Ginter), Sahin – Kampl (68. Blaszczykowski), Kagawa, Reus (80. Mkhitaryan) – Aubameyang. Gelbe Karten: Piszczek, Kagawa. Tore: Reus, Aubameyang (2)

Ja, wir können absteigen

1. Bundesliga, 19. Spieltag / BVB 0 FC Augsburg 1

Es wird Zeit, sich mit diesem Gedanken vertraut zu machen: Leider ist es nicht so unwahrscheinlich, dass Borussia Dortmund nach 39 Jahren in der höchsten deutschen Fußballliga wieder mal absteigt. Zumindest nicht so unwahrscheinlich, wie die allermeisten Fans – und nicht nur schwarz-gelbe – bisher gedacht haben. Das ist der heutige Stand. Denn wenn man Winterpause-übergreifend die letzten Wochen betrachtet, gibt es nur zwei Klubs, die ähnlich schwach aufgetreten sind: Hertha BSC und Paderborn (auch wenn der VfB nur wenig besser war).

In der Verfassung vom gestrigen Spiel kann der BVB gegen alle anderen Teams verlieren, sogar gegen die genannten. Bis zum Gegentor lief die Partie leidlich ordentlich, die Borussia ließ wie gegen Leverkusen wenig zu, auch wenn sie sich wieder einige Fehlpässe zu viel erlaubte. Die Außenverteidiger – und diese Wiederholung macht mürbe – waren offensiv nahezu wirkungslos. Aushilfe Kevin Großkreutz machte ein besonders schwaches Spiel und leitete mit einem Fehlpass auch das Gegentor ein. Trotzdem ist sein Ausfall mit einem Muskelbündelriss eine weitere Schwächung. Schmelzer schlug eine gelungene Flanke, dafür sah er beim 0:1 am Ende der Fehlerkette zusammen mit Nuri Sahin auch besonders dumm aus. Leider kamen auch Pässe und Flanken der offensiveren Kampl und Aubameyang nicht gut, waren häufig zu lang – bei Letzterem nichts neues.

Dennoch, die Rückkehr des schnellen Auba ist einer der wenigen Lichtblicke für die Borussia. Sein Lauf führte zu Jankers Platzverweis. Er hat auch schon bewiesen, dass er treffen kann. Es wäre mal einen Versuch wert, ihn neben Immobile in einem Zweier-Sturm einzusetzen. Dass der Italiener mit seinem Kopfball aus kurzer Distanz Torwart Manninger traf, ist verzeihbar. Es war eine Aktion aus vollem Lauf – immerhin kam er zum Abschluss.

Doch insgesamt blieb am Mittwoch der Eindruck, dass die Schwarz-Gelben derzeit zu viele Schwachstellen haben – Spieler, die ihr Potenzial nicht ausschöpfen und solche, die falsch eingeschätzt wurden und werden. Auch das Kollektiv gibt zu denken: Wie die Mannschaft nach dem Gegentor und erst recht nach dem Platzverweis gespielt hat, war schwer erträglich. Auch wenn es natürlich in der letzten Viertelstunde durch Augsburgs extreme Mauertaktik nicht einfach war.

Der Abstieg ist also eine reale Gefahr. Und doch gibt es noch genügend Chancen, ihn zu verhindern. Nur zwei Punkte ist Platz 15 entfernt, auf dem der nächste Gegner SC Freiburg steht. Und der VfB spielt gegen den FC Bayern. Da es derzeit spielerisch aber an fast allem hapert, ist dieser Trost kein echter. Vielleicht fehlt dem Team auch ein wenig das Gefühl des K.O.-Systems. Letztendlich bleibt dieser Erklärungsversuch wie die meisten anderen hilflos.

Jürgen Klopp und das Team müssen dennoch weiterarbeiten, mit den Spielern, die derzeit zur Verfügung stehen. Die Personaldebatten heben wir uns also noch ein Weilchen auf. Resigniert habe er nicht, versicherte der Trainer in der Pressekonferenz vor dem Freiburg-Spiel. Großkreutz steht sechs Wochen nicht zur Verfügung, ob Piszczek oder Durm rechtzeitig fit werden, um ihn zu ersetzen, steht noch nicht fest. Bei den Gastgebern, die von den Bürgern der Stadt Freiburg gerade das Ok für ein neues Stadion gekriegt haben, fällt unter anderem Offensivmann Admir Mehmedi aus – allerdings wussten die beiden Neuen vorne drin, Petersen und Möller Daehli, bisher durchaus zu gefallen. Für einen Auswärtssieg muss beim BVB noch einiges besser werden.

Die Aufstellung: Weidenfeller – Großkreutz (60. Subotic), Sokratis, Hummels, Schmelzer – Sahin, Gündogan – Aubameyang, Reus (72. Kagawa), Kampl (72. Mkhitaryan) – Immobile

Elf Spieler für ein Halleluja

Nachdem Borussia Dortmund sich am Samstag in Leverkusen je nach Sichtweise ohne Gegentor oder spielerisch bescheiden aus der Affäre gezogen hat, ist für die kommende Partie am Mittwoch der Auftrag klar: Nun muss die Erlösung her. Zu schwach waren die Auftritte fernab des Westfalenstadions und zu groß die Zuversicht nach einer langen Winterpause, als dass man nun weniger als einen Heimsieg verlangen könnte.

Das Problem heißt Augsburg. Niemand kann bestreiten, dass der dortige FC seit dem Aufstieg absolut herausragende Arbeit geleistet hat. Und vor allem in der Hinserie dieser Saison einiges besser gemacht haben muss als der BVB, obwohl die Gäste natürlich nicht mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatten. Doch die Fuggerstädter hatten immerhin Abgänge vom Kaliber eines Andre Hahn zu verkraften; dafür haben sie sich unter anderem mit dem Ex-Borussen Markus Feulner verstärkt. Da dessen Mittelfeld-Kollege Alexander Esswein mit einer Muskelverletzung am Mittwoch fehlen wird, könnte auch der jüngst von Dortmund nach Augsburg zurück transferierte Ji Dong-Won seinem alten Team gegenüberstehen.

Der FCA steht nach einem 3:1 am Sonntag im heimatlichen Schneetreiben gegen die TSG Hoffenheim unglaublicherweise auf einem Punkteniveau mit dem direkten Champions League-Platz 3. Vom FC Bayern wurde zuletzt noch Pierre-Emile Hojberg ausgeliehen, der gestern bereits einen Scorerpunkt verbuchen konnte. Ergo: Die Augsburger haben sich rein durch ihre eigene Arbeit den Status einer neuen Kraft in der Liga gesichert. Ob die in drei Jahren noch genauso stark sein wird, ist ungewiss – aber die Möglichkeit besteht.

Um das jetzt so wichtige Momentum zu behalten, muss der BVB nun gegen diesen FCA gewinnen. Es gibt leichtere Aufgaben, aber auch einen Lösungsweg, den Trainer und Spieler von ihrem Potenzial her finden können. Gut 900 Gästefans kündigte Pressesprecher Sascha Fligge bei der Pressekonferenz zum Spiel an – die Lautstärke-Wertung dürfte also schon mal Schwarz-Gelb gewinnen, denn das Westfalenstadion ist ausverkauft. Klopp wiederum gab zu Protokoll, dass die Herangehensweise wie bei jedem Gegner eine andere sein werde als zuvor. Ein Rumprobieren werde es aber auch nicht geben, sondern „klare Aktionen“.

Es steht zu erwarten, dass die Augsburger deutlich defensiver postiert sein werden als gestern. Ohne spielerische Mittel wird es also nicht gehen. Der BVB muss die Umstellung meistern und das machen, was die Engländer so schön einfach als „get the ball down and play“ umschreiben. Da es heute keine schwarz-gelben Schlusskaufaktivitäten gegeben hat, stehen dafür ähnliche Namen wie zuletzt zur Verfügung. Aubameyang und Kagawa sind beide körperlich fit und könnten auflaufen, wenn Klopp will. Einen von diesen beiden würde ich deutlich präferieren.

Im zentralen Mittelfeld scheinen Sebastian Kehl und Sven Bender auf einem guten Weg zu sein, aber erst nächste Woche wieder für den Kader in Frage zu kommen. Bei Ilkay Gündogan stehen die Chancen für Mittwoch recht gut, während bei Kuba die Zweifel ein wenig und bei Piszczek noch etwas größer sind. Erik Durm könnte nach der Rückkehr ins Mannschaftstraining ebenfalls wieder zur Verfügung stehen. Meine elf Mann für die heikle Mission wären:

Weidenfeller – Durm, Sokratis, Hummels, Schmelzer – Gündogan, Sahin – Aubameyang, Reus, Kampl – Immobile.

Gekämpft, gepunktet, abgerutscht

1. Bundesliga, 18. Spieltag / Bayer Leverkusen 0 BVB 0

Borussia Dortmund verbessert sich gegenüber dem Heimspiel und holt einen Punkt in Leverkusen, doch Freiburg zieht vorbei. Jürgen Klopp sieht einen „Traumstart“ in die Rückserie, doch zunächst sind die Schwarz-Gelben Tabellenletzter. Was bedeutet das nicht völlig überraschende Unentschieden gegen die Werkself? Es gibt nicht die eine gültige Sichtweise, aber genügend Ansatzpunkte für eine Positiv-Negativ-Liste.

+ Der BVB hat den Abstiegskampf angenommen, ist gelaufen, hat gegrätscht und den Leverkusenern wenig Platz zur Entfaltung gelassen. Die Mannschaft wollte den Erfolg; das sah offensichtlich auch Roger Schmidt, Trainer der Gastgeber, so, der in der Nachspielzeit noch Defensivmann Papadopoulos einwechseln wollte.

+ Die Defensive stand deutlich stabiler als zuletzt. Vor allem das Duo Hummels/Sokratis in der Innenverteidigung hat seine Sache prima gemacht und sollte für die nächsten Wochen gesetzt sein. Selbst Marcel Schmelzer zeigte sich in den Defensiv-Zweikämpfen präsenter. Wenn man sich doch mal kalt erwischen ließ – etwa nach Mkhitaryans Fehlpass – bügelte man das mit starken Einzelaktionen (Hummels, Weidenfeller) wieder aus. Beim Lupfer von Castro kam etwas Glück hinzu.

+ Kevin Kampl scheint sich schnell als Verstärkung zu erweisen und den Aufstieg von Österreichs in Deutschlands höchste Spielklasse mühelos zu schaffen. Seine Handlungsschnelligkeit, etwa beim Weiterleiten von Bällen nach gewonnenen Zweikämpfen oder Laufduellen, lässt hoffen. Das Prädikat ‚Besonders wertvoll‘ gibt es auch für eine exemplarische Balleroberung im Mittelfeld, mithilfe einer seitlichen Grätsche. Denkt man daran, dass er hoffentlich in Kürze mit Gündogan und einem effizienteren Reus Pässe austauscht, braucht man sich keine Sorgen um die Spielkultur im Dortmunder Mittelfeld zu machen. Weiterlesen „Gekämpft, gepunktet, abgerutscht“

Sind wir gut drauf?

Dortmund nach Utrecht und Düsseldorf – und wir sind, wie meistens nach Testspielen, nicht wirklich schlauer. Unter der Woche zeigten die Schwarz-Gelben in den Niederlanden eine ansprechende Leistung und Neuzugang Kevin Kampl traf zum ersten Mal. Der kurzfristig angebotene Livestream wurde einem allerdings durch die penetrant nervige Opel-Werbung von Kommentator Nobby Dickel verleidet.

Doch es machte mehr Spaß zuzuschauen als am Samstag. Denn gegen den Tabellensechsten der zweiten Bundesliga waren Muster zu erkennen, die deutlich an die BVB-Auftritte der Hinserie erinnerten. Probleme beim Erarbeiten von Chancen gegen eine kompakte, tief stehende Abwehr. Probleme, bei schnellen Gegenstößen der Fortuna selbst hinten nah genug am Mann zu bleiben. Und – zumindest während der Begegnung – ein neues Verletzungsproblem: Ilkay Gündogan wurde bereits nach 28 Minuten ausgewechselt und hielt sich beim Gang in die Kabine den Oberschenkel.

Jürgen Klopp hatte nach den Ausfällen von Kehl und Bender auf ein offensives zentrales Mittelfeld mit Ilkay und Nuri Sahin gesetzt. Ob diese Besetzung nun wieder gesprengt ist, bleibt abzuwarten. Nach derzeitigem Stand war der Wechsel in Düsseldorf eher eine Vorsichtsmaßnahme; Gündogan könnte kommenden Samstag in Leverkusen durchaus zur Verfügung stehen. Ob Klopp gegebenenfalls diese Variante wählen wird? Eigentlich ist das auswärts gegen ein spielstarkes Team kaum vorstellbar – wobei Ilkay für das Offensivspiel, die öffnenden Pässe nach der gestrigen Partie unverzichtbar erscheint. Das vielversprechende Duo Reus/Kampl benötigt beim Spielaufbau seine Unterstützung.

Bei allen Fragezeichen hinter Matthias Ginter gibt es nächste Woche keinen Grund, ihm Nuri Sahin vorzuziehen. Denn eine zusätzliche Absicherung für die immer noch nicht sattelfeste Defensive scheint fast genauso unverzichtbar wie Ilkays Einsatz. Die Probleme in der Außenverteidigung waren auch gestern zu sehen und Mats Hummels war ebenfalls wieder mit einem unnötigen Fehlpass dabei. Nun sprach Jürgen Klopp nach der Partie von mangelnder Frische wegen des intensiven Trainings – diese Theorie gilt es am Samstag zu bestätigen.

Im offensiven Mittelfeld sollte der Trainer dafür dann die Qual der Wahl haben. Henrikh Mkhitaryan wurde nach seiner Verletzung gestern eingewechselt, Shinji Kagawa ist mit Japan aus dem Asien-Cup ausgeschieden und ‚Kuba‘ Blaszczykowski holte in Düsseldorf einen 50:50-Elfmeter heraus und verwandelte ihn zum Ausgleich. Großkreutz und Jojic sind weitere mögliche Ergänzungen für die sicher gesetzten Reus und Kampl.

Im Moment ist die Spannung ebenso groß wie die Vorfreude auf die Rückserie. Ob sich die Borussia nach den jüngsten Eindrücken allerdings wirklich zeitnah aus der Abstiegszone verabschieden wird, halte ich für keineswegs ausgemacht – da wirkt die Vorsicht eines Aki Watzke schon realistisch.

Jürgen Klopps Lehre der Hinserie

Wenn die Verantwortlichen von Borussia Dortmund über die Gründe für die missratene Hinrunde reden, dann schwebt im Hintergrund immer der große Begriff „Schicksal“ mit. Nicht, dass ihn jemand aussprechen würde, aber nach außen wird kaum kommuniziert, welche eigenen Fehler Trainer und Vereinsführung gemacht haben könnten. Es ist tatsächlich auch nicht einfach, diese zu benennen, denn eigentlich landet man dabei immer wieder bei den Spielern – ein strukturelles Problem etwa im Training oder bei den Transfers war für Außenstehende nicht zu erkennen.

Die Rede ist zu Recht häufig von fehlender Einspielzeit, Verletzungen und einer Negativspirale. Intern wurde mit Sicherheit nach weiteren Ursachen geforscht. Jürgen Klopp hat nun in einem „Kicker“-Interview nebenbei einen Punkt angesprochen, der in der Rückserie vom Trainerteam anders gehandhabt werden könnte:

Bei uns wurde in vielen Fällen einfach außer Acht gelassen, dass zwar ein großer Name auf dem Feld oder auf dem Spielberichtsbogen stand, dieser Junge aber nur 50 oder 60 Prozent seines Leistungsvermögens besaß. (Kicker Nr. 7/2015, S. 3)

Die ausgesprochene Konsequenz ist, noch mehr Wert auf Fitness zu legen. Die unausgesprochene könnte sein, nicht völlig fitte Spieler öfter draußen zu lassen, auch die mit großen Namen, und häufiger zu rotieren.

Natürlich wurde im Trainingslager in La Manga viel gearbeitet, auch im technischen und taktischen Bereich. Diese wochenlange Vorbereitung ist essenziell für die Rückserie, auch wenn Sven Bender und Erik Durm deswegen nun den Auftakt verpassen werden. Einen sehr detaillierten, erkenntnisreichen Beitrag zum Stand der Dinge hat ausgerechnet Spox.com veröffentlicht, das ja häufig nur als Zweitverwerter von Meldungen agiert. Mit Jochen Tittmar haben sie jedoch einen guten ‚BVB-Korrespondenten‘.

Das zweite und letzte Testspiel in Spanien am morgigen Samstag wird übrigens ab 16.30 Uhr im Livestream bei BVB Total zu sehen sein.

Was nicht passt (und hoffentlich passend gemacht wird)

1. Bundesliga, 17. Spieltag / Werder Bremen 2 BVB 1

Borussia Dortmund hat es geschafft und beendet die Hinserie 2014/15 auf einem Abstiegsplatz. Nicht einmal gegen die notorisch wacklige Bremer Abwehr gelang den Schwarz-Gelben mehr als ein Standard-Tor. Nicht einmal gegen das Team, in dem der neue Trainer Viktor Skripnik mutigerweise auf viel Jugend setzt, war der BVB die abgeklärtere Mannschaft. Alle guten Vorsätze waren nach drei Minuten Makulatur, als die Abseitsfalle nicht zuschnappte und der junge Selke die Bremer Führung erzielte. Gruselig war die erste Halbzeit, die folgte. Noch schlimmer als in Berlin. Dass die Borussia nicht 90 Minuten so spielen würde, war klar. Aber es traf nur Mats Hummels nach einer Ecke, der zuvor äußerst fahrig gewirkt und das 0:2 mitverursacht hatte.

Der dilettantische Auftritt beim ehemals Tabellenletzten schließt eine Halbserie ab, die sich so kein BVB-Freund oder -Feind vorgestellt hätte. Ich selbst habe durchaus damit gerechnet, dass die Schwarz-Gelben mal wieder ein echtes Tal würden durchschreiten müssen – aber natürlich nicht, dass es so schnell kommt und so tief ist. Wir brauchen uns gar nicht weiter mit dem Bremen-Spiel aufhalten. Alles was dazu gesagt werden könnte, ist auch allgemein für diese erste Saisonhälfte gültig. Vieles dazu wurde schon gesagt, manches verdient zu diesem Zeitpunkt dennoch eine Wiederholung.

Zunächst mal ist unbestreitbar, dass der Borussia das Verletzungspech arg zugesetzt hat. Und wir müssen eben nicht nur von den Spielern reden, die an den Spieltagen tatsächlich verletzt waren, sondern auch von denen, die die nötige Praxis aufgrund früherer Verletzungen noch nicht haben konnten. Was wiederum Auswirkungen auf das Mannschaftsspiel haben musste. Stellen wir uns einmal folgende Startelf vor:

Langerfeller
Piszczek, Sokratis, Hummels, Durm
Bender, Gündogan
Mkhitaryan, Reus, Aubameyang
Immobile

Hätte diese Mannschaft den Großteil der Hinserie so zusammengespielt, stünde der Verein dann da, wo er jetzt steht? Weiterlesen „Was nicht passt (und hoffentlich passend gemacht wird)“

Vorne aufgebaut, hinten eingerissen

1. Bundesliga, 16. Spieltag / BVB 2 VfL Wolfsburg 2

Das vorletzte Ergebnis von Borussia Dortmund im Jahr 2014 lässt verschiedene Lesarten zu. Man kann sich aus der Warte des Tabellen-16. durchaus über einen Punkt gegen den Tabellenzweiten freuen, den man im Verein auch vor der Saison schon für einen ernsthaften Konkurrenten gehalten hat. Man kann aber auch sagen, dass die Schwarz-Gelben sich zu Hause gar keinen Punktverlust mehr erlauben dürften angesichts des hinter dem Horizont verschwindenden Saisonziels und des ebenfalls weit entfernten Minimalziels Europa League. Letzteres ist immerhin noch über den Pokal erreichbar.

Direkt nach der Partie gestern Abend dürften die wenigsten Variante 1 zugeneigt haben. Zweimal hatte die Borussia geführt, Ciro Immobile hatte einen Treffer erzielt, der es verdient gehabt hätte, das Siegtor zu sein. Doch Wolfsburg kam zweimal zurück, Naldo traf nach Ecke per Kopf zum 2:2. Die Art und Weise, wie die Tore fielen, war das eigentlich Ärgerliche. Zwar hätten die Gäste auch aus dem Spiel heraus das eine oder andere Mal treffen können, sie taten es aber durch einen Freistoß aus rund 18 Metern, den Mitch Langerak hätte abwehren sollen, und nach besagter Ecke, als sich ausgerechnet Riese Naldo völlig frei durch den Strafraum bewegen konnte. Jürgen Klopp rutschte im Sky-Interview nach dem Spiel heraus, dass Kehl für die Deckung hätte sorgen sollen.

Es war ohnehin nicht der Tag des ehemaligen Kapitäns, auch nicht der des wieder aufgebotenen Großkreutz – dafür der von Ciro Immobile. Der italienische Stürmer zeigte nahezu über die gesamte Spielzeit alle Qualitäten, die man von einem Mittelstürmer erwarten kann. Er bereitete mit seiner Flanke das 1:0 durch Aubameyang vor. Hier zeigte sich übrigens, dass der BVB davon profitieren kann, wenn er sein Spiel wieder breiter macht. Sein eigenes Tor, dem ein tolles Tackling des eingewechselten Oliver Kirch voranging, war ein Schuss wie ein Strahl ins linke Eck. Ciro hatte weitere Szenen, wo er den Ball gut an- und mitnahm, nur im Abschluss weniger Glück hatte. Wenn er diese Form irgendwie konservieren kann, erübrigt sich das Gemunkel der Medien über eine neue Offensivkraft ganz schnell wieder.

Bei allem Ärger über den späten Ausgleich und das Auf-der-Stelle-treten war es eine tolle Partie mit offenem Visier von beiden Teams. Also auch von Schwarz-Gelb. Wolfsburg hatte mehr Ballbesitz, es gab Phasen von Dominanz der Gäste, aber auch der Gastgeber. Gegen viele andere Bundesligamannschaften hätte die Leistung der Borussia zum Sieg gereicht. Doch die Wolfsburger sind angeführt von Kevin De Bruyne zu einem Spitzenteam geworden. Einen vergleichbaren Spieler hatte der BVB in Abwesenheit von Marco Reus nicht zu bieten. Das Passspiel auf engem Raum sah auch deswegen bei den Gästen besser aus, während die Schwarz-Gelben deutlich leidenschaftlicher wirkten.

Vorschau auf Bremen

Man kann auf diesem „Pünktchen Hoffnung“, wie der „Kicker“ es nennt, aufbauen. Aber vor allem dann, wenn nun endlich der Auswärtssieg gelingt. Wo sonst, wenn nicht bei den wackligen Bremern? Die neben Prödl mit dem gesperrten Caldirola einen weiteren Innenverteidiger ersetzen müssen. Mit drei Punkten am Samstag würde die Borussia fast sicher die Abstiegszone verlassen. Doch waren wir in dieser Saison schon zu oft Aufbaugegner, um nicht vorsichtig zu sein. Neben den bekannten Ausfällen muss Jürgen Klopp am Samstag ebenfalls auf einen gesperrten Innenverteidiger, Neven Subotic, verzichten. Für ihn wird Ginter spielen. Lukasz Piszczek sollte zumindest in den Kader zurückkehren; Fragezeichen gibt es noch bei Kehl und Bender. Fiele einer von ihnen aus, wäre Oli Kirch sicher eine interessante Option.

Die Aufstellung: Langerak – Durm, Subotic, Hummels, Schmelzer – Bender, Kehl – Aubameyang, Gündogan (75. Kirch), Großkreutz – Immobile. Gelbe Karte: Subotic. Tore: Aubameyang, Immobile