Schafböcke nach neun Monaten gerettet

Ein Happy End. Nur im Fußball, aber immerhin. Der Traditionsverein Derby County, gegründet 1884 und einst erfolgreich unter dem großen Brian Clough, hat einen neuen Besitzer, der die ersten drei Buchstaben seines Nachnamens mit der Trainerlegende gemeinsam hat. David Clowes beziehungsweise sein Unternehmen Clowes Developments hat heute die Übernahme der „Rams“ vollendet und somit den Klub aus den East Midlands aus der Insolvenz geholt.

Die ganze Vorgeschichte findet ihr im letzten Beitrag. Zwei Tage nach dem ursprünglich angepeilten Mittwoch hat die existenzbedrohende Situation nun ein Ende gefunden. Die Abwicklung des Deals sei beispiellos komplex gewesen, betonte Andrew Hosking, einer der Insolvenzverwalter – sicherlich nicht ganz ohne den Hintergedanken, die Länge des Verfahrens zu rechtfertigen, das im September 2021 begonnen hatte.

Clowes schreibt den Fans

Doch das Ende scheint nun beinahe ideal. Ein erfolgreicher und gleichzeitig bodenständiger Unternehmer aus der Region als Eigentümer – viel besser wird es im englischen Profifußball abseits der wenigen fangeführten Vereine nicht. David Clowes hat in einem offenen Brief an die Fans um Geduld gebeten. Er und sein Team bräuchten noch Zeit, um sich ein Bild von innen zu verschaffen, Gespräche zu führen und dann im Anschluss womöglich Veränderungen vorzunehmen.

Dort, wo es schnell gehen muss, soll es schnell gehen: Die Rams brauchen rund vier Wochen vor Saisonstart dringend Spieler – mehr als eine gute Handvoll Profis stehen derzeit nicht unter Vertrag. Natürlich wurden im Hintergrund schon Gespräche vor allem mit vertragslosen Spielern geführt. Es könnten also schon bald erste Vollzugsmeldungen folgen. Alle Transfers müssen einem Business Plan gehorchen, auf den sich die neuen Besitzer mit den Insolvenzverwaltern und dem Ligaverband EFL geeinigt haben. Das heißt: Neuzugänge können nur registriert werden, wenn Transfersumme, Spielergehalt und Beraterkosten vorgegebene Beträge nicht überschreiten. In diesem Rahmen steht es Derby County aber wieder frei, die Transfers zu tätigen, die der Trainer und andere künftig sportlich Verantwortliche für nötig halten.

David Clowes macht in seiner Botschaft an Fans und Angestellte des Vereins auch Hoffnung, dass Vieles, was bei den Rams in der Vergangenheit gut gelaufen ist, erhalten bleibt: Die Jugendakademie soll weiter zur höchsten Kategorie gehören, die gemeinnützige Arbeit des „Community Trust“ in Derby und Umgebung fortgeführt werden. Und Clowes will auch die Frauenmannschaft, Derby County FC Women, ein eigener Verein, aber eng mit den Männern assoziiert, weiter unterstützen. Das alles hört sich für lang leidende Fans sehr positiv an. Einfach wird der Weg zurück aber sicher nicht – für den Verein, der noch vor wenigen Jahren ans Tor zur Premier League klopfte und sich nun einen Kader für die dritte Liga basteln muss. Es könnte heute trotzdem ein entscheidender, womöglich historischer Schritt gelungen sein.

Happy End zu Saisonbeginn

Bevor irgendetwas gewonnen oder auch nur in einem Pflichtspiel gegen den Ball getreten worden war, hatten die Fans von Swindon Town bereits gesiegt. Kurz vor Beginn der Spielzeit 2021/22 ging der englische Viertligist endlich aus den Händen von Lee Power in jene von Clem Morfuni über. Ein neuer Mehrheitseigentümer, der über den Club bestimmen kann – in Deutschland sieht man solche Deals aufgrund der hiesigen Fußball-Tradition eher kritisch. In England sind sie gang und gäbe, werden aber selten so enthusiastisch begrüßt wie in diesem Fall.

Dafür gibt es Gründe. Um das Ausmaß der Probleme vor der Übernahme zu begreifen, empfehle ich meinen Artikel aus jener Zeit. Kurz zusammengefasst haben der neue Eigentümer und seine Leute einen Verein mit nur noch wenigen Spielern, ohne sportliche Führung und ohne Geld in wenigen Wochen wieder in einen ganz normalen Viertligisten verwandelt. Das und nicht mehr haben sich die Fans der „Robins“ von Clem Morfuni erhofft, der zuvor einen Minderheitsanteil an Swindon Town gehalten hatte.

Neue Mannschaft in drei Wochen

Der australische Unternehmer aus der Baubranche hat die Basics erledigt: Ein neuer Trainer, Ben Garner, ein Sportdirektor, Ben Chorley, und ein scheinbar konkurrenzfähiger Kader sind da. Dazu wurden einige Akteure wieder verpflichtet, die schon in der letzten Saison oder früher bei den Robins gespielt hatten. Zudem kamen einige Spieler der Kategorie „jung, hungrig, aber anderswo nicht so recht zum Zug gekommen“. Ein potenzieller Coup gelang Chorley und Garner mit dem Transfer des 27-jährigen walisischen Nationalspielers Jonny Williams, der zuletzt bei Cardiff City in der zweiten Liga gespielt hatte und als echter Charakterkopf gilt. Allerdings darf Swindon aufgrund der Versäumnisse der vorherigen Führung derzeit nur Ein-Jahres-Verträge vergeben – eine Bestimmung des Ligaverbands EFL.

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Schlafender Riese oder Lachnummer: Schafböcke am Scheideweg

Es war Weihnachten, als sich Any Given Weekend zuletzt mit Derby County beschäftigte, einen Tag vor der Partie der „Rams“ gegen Preston North End in der zweitklassigen englischen Championship (Endstand 0:1). Beiden Vereinen geht es heute nicht besser als damals; in Derby sieht es sogar noch deutlich düsterer aus. Immerhin weiß der Verein noch im FC Hollywood-Style zu unterhalten – doch dazu später mehr.

Zum besseren Verständnis der Lage empfehle ich ganz uneigennützig die Lektüre des oben verlinkten Artikels. Nicht geändert haben sich seither zwei entscheidende Personalien: Wayne Rooney ist weiterhin Trainer der „Rams“ und Mel Morris Eigentümer des Clubs. Ausnahmsweise ist in diesem Fall der Verbleib des Manns an der Seitenlinie weniger überraschend als der des Besitzers. Morris, ein eingefleischter Fan, wollte Derby County schon seit einiger Zeit loswerden – aus gesundheitlichen, aber auch finanziellen Gründen. Monatelang stand, wie berichtet, eine Übernahme durch einen Scheich aus den Vereinigten Arabischen Emiraten „kurz bevor“. Der Mann hatte früher schon erfolglos versucht, Newcastle United zu kaufen – und auch der Deal mit Derby scheiterte.

Herbeifantasierte Übernahme

Im Frühjahr erfolgte dann ein Übernahmeversuch durch den Spanier Erik Alonso. Auch dieser wurde vom Verein als fast perfekt gemeldet – nur die Zustimmung des Ligaverbands EFL fehle noch. Doch auch Alonso konnte letztendlich nicht glaubhaft darlegen, dass er den Verein längerfristig hätte finanzieren können. Wenige Monate zuvor war er noch beim ebenfalls krisengeschüttelten und inzwischen abgestiegenen Konkurrenten Sheffield Wednesday als Berater tätig gewesen. Als sich Club-Besitzer Dejphon Chansiri von ihm trennte, unternahm Alonso einen eher komischen als ernsthaften Versuch, die „Owls“ zu übernehmen. Der renommierte Fußball-Finanzexperte Kieran Maguire vom exzellenten Podcast Price of Football hat den Spanier sicher nicht leichtfertig einen „Fantasten“ genannt. Mel Morris hatte also auch mit seinem zweiten Kandidaten innerhalb eines Jahres kein Glück.

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Wanderer zurück vom Abgrund

Es begann eigentlich eher banal. Als ich mich vor rund zwölf Jahren erstmals intensiver mit dem Bolton Wanderers Football Club beschäftigte, war ich getriggert von zwei Fakten: dem legendären Unentschieden, das den Whites 2007 beim großen FC Bayern gelungen war – Stichwort „Fußball ist keine Mathematik“. Und ihren Bei- bzw. Spitznamen „Wanderers“ und „Trotters“, die mir als passioniertem Wanderer und Spaziergänger gut gefielen. Die lokale Verbundenheit, die ich aufgrund damals nur seltener England-Besuche nicht hatte, fiel als Begründung aus; meine Leidenschaft für den englischen Fußball allgemein musste sich aber irgendwie ihre Bahn brechen.

2010 schrieb ich erstmals über die Trotters in diesem Blog (Owen Coyle’s Superwhite Army). Einige Jahre lang verfolgte ich das Geschehen rund um das Reebok bzw. spätere Macron Stadium intensiv und sah, wie die Probleme rund um den Club nach dem Abstieg aus der Premier League wuchsen. Eddie Davies, der viele Jahre lang viele Millionen in den Verein gepumpt hatte, verkaufte die Wanderers, verzichtete dabei aber auf die Rückzahlung eines Großteils der ihm geschuldeten Summe. Im September 2018, nur vier Tage vor seinem Tod, half er seinem Ex-Verein nochmal mit einem Fünf-Millionen-Pfund-Kredit aus höchster Not.

Ich selber hatte die Wanderers seit 2017 etwas aus den Augen verloren. Soweit ich mich erinnern kann, hatte das nicht in erster Linie mit ihrem sportlichen und finanziellen Abstieg zu tun. Im englischen Fußball gab es schon immer viele spannende Geschichten zu erzählen und ich war (England betreffend) nie Die-hard-Fan nur eines Vereins gewesen, sondern habe seit Langem mindestens eine Handvoll Clubs, die mir sympathisch sind. Ein bisschen bedauerte ich das Fehlen einer besonders engen Beziehung zu einem bestimmten Verein. Erst in den letzten Monaten habe ich das Gefühl, dass sich der Kreis schließt und ich auf den zuletzt beschwerlichen Weg der Wanderer zurückgefunden habe. Weiterlesen „Wanderer zurück vom Abgrund“

Zwei Wege, ein Ziel: Derby County v Preston North End

Alle wollen in die Premier League. Für Neulinge in Englands zweitklassiger Championship ist das manchmal ein längerfristiges Ziel. Nicht jedoch für die dort etablierten Traditionsvereine Derby County und Preston North End, die am Boxing Day (26.12.) in Derbys Pride Park-Stadion aufeinandertreffen. Die Gastgeber, gegründet 1884, begreifen sich – nicht zu Unrecht – als großen Club, der einfach in die höchste Spielklasse gehört. Preston wiederum, gegründet 1880, war einst der erste und zweite Meister nach Einführung des englischen Ligafußballs, wartet inzwischen aber seit fast 60 Jahren auf die Rückkehr in die Erstklassigkeit.

Beide Vereine eint zwar ein Ziel, doch ihre Profile und ihre Herangehensweise könnten kaum unterschiedlicher sein. Derby – die „Rams“ – stand in den letzten Jahren für einen Zweitligisten oft im Rampenlicht. In der letzten Spielzeit gab es einen groß publizierten Zwischenfall nach einer Mannschaftsfeier, als mehrere Spieler betrunken ins Auto stiegen und einen Unfall verursachten, bei dem der damalige Mannschaftskapitän Richard Keogh verletzt wurde. Keogh wurde in der Folge gefeuert, andere Beteiligte ’nur‘ bestraft.

Sportliche Schlagzeilen schrieben die Rams mit der Verpflichtung von Wayne Rooney aus den USA, der zunächst als Spieler eingeplant war und inzwischen, zumindest temporär, auf der Trainerbank sitzt. Ermöglicht wurde der Giganten-Transfer offenbar durch den gemeinsamen Sponsor 32Red, einem Anbieter von Online-Casinos und Sportwetten. Dass Rooney in der Folge die Rückennummer 32 trug, war natürlich reiner Zufall. Weiterlesen „Zwei Wege, ein Ziel: Derby County v Preston North End“

Die nächste große Hoffnung für Sunderland

Fans zurück in den Stadien – in Großbritannien könnte das schon zum Ende des aktuellen Lockdowns am 2. Dezember und je nach regionaler Pandemie-Lage Realität werden. Die Anhänger des englischen Drittligisten Sunderland AFC hätten dann womöglich gleich doppelt Grund zur Freude. Sie warten seit geraumer Zeit auf eine Übernahme ihres Klubs durch neue finanzkräftige Investoren. Die jetzigen Eigentümer um Mehrheitsaktionär Stewart Donald und Charlie Methven reden seit Langem von laufenden Gesprächen, doch nun könnte es endlich ernst werden. Spekuliert wird über den Abschluss der Verhandlungen und eine zeitnahe Ratifizierung der Übernahme durch den Ligaverband EFL, vielleicht sogar bis Anfang Dezember.

Doch wie die Fan-Rückkehr ist auch der geplante Eigentümerwechsel durchaus zwiespältig zu betrachten. Die jüngere Geschichte der „Black Cats“ ist eine der enttäuschten Hoffnungen. Als ich vor zwei Jahren zum letzten Mal über Sunderland schrieb, waren sie bereits drittklassig, aber Donald und Methven hatten einiges getan, um die Fans nach zwei Abstiegen in zwei Jahren wieder an Bord zu holen. Doch es war nicht genug, denn sportlich verfehlte der Klub das klare Ziel, wieder aufzusteigen, zweimal – sowohl mit Trainer Jack Ross als auch seinem Nachfolger und Noch-Amtsinhaber Phil Parkinson.

Das Gewicht der Geschichte

Man muss die Größe des Klubs und seiner Anhängerschaft kennen, um die Dimension des Problems zu verstehen. Neben Newcastle United und Middlesbrough ist Sunderland eines von drei sportlichen Aushängeschildern im Nordosten Englands, einer Region mit wirtschaftlichen Problemen. Die Black Cats haben in ihrer Geschichte sechs Meisterschaften geholt und sind damit in dieser Hinsicht der sechsterfolgreichste Fußballverein Englands. Auch wenn nur einer der Titelgewinne in den letzten 100 Jahren gelang (1936), sehen die Fans ihren Verein weiter als einen der großen an. Noch verständlicher wird ihre derzeitige Frustration, wenn man sich vergegenwärtigt, dass Sunderland in seiner vor 2018 knapp 140-jährigen Geschichte nur eine einzige Saison (1987/88) in der dritten Liga verbringen musste, 87 Spielzeiten insgesamt und vor 2017 zehn am Stück erstklassig war. Weiterlesen „Die nächste große Hoffnung für Sunderland“

Übernahme im zweiten Anlauf

It’s all Thai’d up – so lautete im Sheffield Wednesday-Fanzine Owlsonline die Überschrift zu einer Nachricht, auf die Anhänger des englischen Zweitligisten lange gewartet hatten. Seit Dezember war klar, dass ein thailändisches Konsortium die kompletten Vereinsanteile von Vorbesitzer Milan Mandaric übernehmen wollte. Seither dürften sich dem Verein verbundene Journalisten und Blogger Gedanken über passende Wortspiele für den Vollzugsfall überlegt haben. Die oben zitierte Headline blieb nicht die einzige ihrer Art, als am Donnerstag die Bestätigung kam: Dejphon Chansiri, mit der Unternehmensgruppe Thai Union Frozen unter anderem der größte Thunfisch-Produzent der Welt, erwirbt die ‚Owls‘ zu 100 Prozent. Nur der Ligaverband muss noch zustimmen.

Für unsere deutschen Fußball-Ohren klingt das nach typisch englischem Fußball-Kapitalismus, der uns so hierzulande auch bald blühen könnte. Ein reicher Mäzen verkauft einen Traditionsverein von 1867 an einen noch reicheren Großunternehmer – und beide sind auch noch Ausländer. Doch wie immer lohnt es sich zu differenzieren. Milan Mandaric hat Wednesday vor gut vier Jahren nachweislich vor dem Konkurs gerettet und seither finanziell vernünftig geleitet. Sportlich gelang immerhin der Wiederaufstieg in die Championship. Mit Stuart Gray arbeitet inzwischen ein kompetenter, angenehmer Trainer in Hillsborough. Doch für den Angriff in Richtung Premier League war Mandaric wohl doch nicht reich genug; ganz abgesehen von den Financial Fair Play-Regeln, die zu beachten sind.

Der serbisch-amerikanische Geschäftsmann, dem die Owls-Fans durchaus abnehmen, dass ihm inzwischen etwas an ihrem Club liegt, suchte also nach einem Nachfolger, der dem Verein den nötigen Schub für den Aufstieg ins Oberhaus geben könnte. Vorigen Juni schien er fündig geworden zu sein: Der aserbaidschanische Geschäftsmann Hafiz Mammadov wurde als neuer Eigentümer vorgestellt, die aktuellen Trikots tragen Brustwerbung für dessen Herkunftsland. Doch durch nicht im Detail kommunizierte Umstände wurde die Übernahme erst verschoben und von Mandaric Anfang September schließlich für gescheitert erklärt. Ob finanzielle Gründe oder Zweifel des Fußballverbands an Mammadov den Ausschlag gaben, bleibt Spekulation. Weiterlesen „Übernahme im zweiten Anlauf“