A Club for Old Men

1.Bundesliga, 4. Spieltag / SC Freiburg 2 BVB 4

Borussia Dortmund siegt auswärts, steht nur noch zwei Punkte hinter der Tabellenspitze und drei der vier Tore erzielen die „alten Herren“ Hummels und Reus auf ihrer vermeintlichen Abschiedstour. Gibt es da einen Zusammenhang und war Freiburg jetzt schon der Turnaround?

Es war eine von zwei Änderungen in der Startelf und die einzige kleine Überraschung, dass das Duo in der Innenverteidigung Schlotterbeck und eben Hummels anstelle von Süle hieß. Mats traf per Kopf zum 0:1 nach elf Minuten, als er sich bei einer Brandt-Ecke am langen Pfosten das entscheidende Bisschen von seinem Gegenspieler absetzen konnte. Kurz vor der Pause war er dann jedoch das entscheidende Bisschen zu weit weg von Höler, so dass dieser eine Grifo-Flanke mit dem Kopf ins Tor verlängern konnte – Glück und Können der Freiburger gehörten da freilich auch dazu. In der 88. Minute nutzte Hummels dann die Unordnung im Freiburger Fünf-Meter-Raum nach einem Freistoß, um zum vorentscheidenden 2:3 einzuschieben.

Mats Hummels: Keiner ist wie er

Mats‘ Leistung war also nicht perfekt gestern, aber genau das, was der BVB in Freiburg brauchte. Der 34-Jährige ist jemand, den eigene Fehler nicht aus der Bahn werfen und der Willen und Charakter hat, um solch knifflige Spiele am Ende für sich zu entscheiden. Dass er auch ein kritischer Zeitgenosse sein kann, darf man als Fan gut finden, auch wenn das die Mannschaftskameraden vermutlich nicht zu 100 Prozent schätzen. Hummels ist jetzt der älteste BVB-Spieler, dem in der Bundesliga ein Doppelpack gelungen ist.

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Gemischte Gefühle vor dem Saisonstart

Nach spielerisch nicht durchweg überzeugenden Auftritten während der Vorbereitung und der USA-Reise hat Borussia Dortmund bei der Saisoneröffnung Ajax Amsterdam mit 3:1 geschlagen. De facto war die Partie einfach nur das letzte Testspiel, bevor es ‚wirklich‘ losgeht – manche mögen sie dennoch als ein Statement empfunden haben, dass die Mannschaft (doch noch) auf den Punkt in Form kommt.

Die Pokalbegegnung in Mainz dürfte dafür noch kein Gradmesser sein. Es handelt sich dennoch um das erste Pflichtspiel und dieses bietet mir den Anlass für eine in diesem Jahr recht persönlich gehaltene Einschätzung der Situation rund um den BVB.

RB kann immer noch weg

Große Vorfreude ist bei mir bisher noch nicht aufgekommen. Interesse gewiss, aber nicht viel mehr. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Das Saisonfinale 2022/23 wirkt noch nach und es stellt sich die Frage, ob und wann die Schwarz-Gelben wieder eine solche Chance auf die Meisterschale bekommen werden. Nicht zu Unrecht weisen zahlreiche Fans und Medien darauf hin, dass sich nicht nur die Bayern nach einer durchwachsenen Saison verstärken werden, ob mit Harry Kane oder nicht, sondern auch Leverkusen und Leipzig das getan haben oder noch tun. Der Brause-Konzern hat zwar gerade auch noch Abwehr-Ass Gvardiol an Manchester City abgegeben, wird aber wohl die gewaltigen Einnahmen dafür zumindest teilweise reinvestieren.

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Transfer mit Beigeschmack: Felix Nmecha kommt zum BVB

Jetzt ist er da: Borussia Dortmund hat Mittelfeldspieler Felix Nmecha vom VfL Wolfsburg verpflichtet. Der 22-Jährige, der auch schon für die deutsche Nationalmannschaft am Ball war, kostet die Schwarz-Gelben laut Kicker rund 30 Millionen Euro inklusive Boni. Es war ein Transfer, der sich angekündigt und schon im Vorfeld für Diskussionen gesorgt hatte – allerdings kaum sportlicher Art.

Die Fakten sind inzwischen bekannt: Felix Nmecha ist strenggläubiger Christ und hat bei Instagram homophobe/queer-feindliche Inhalte geteilt. Zwischen diesen beiden Fakten gibt es keinen obligatorischen Zusammenhang, aber Nmecha hat getan, was er getan hat und sich auf seinen Glauben berufen. Borussia Dortmund veröffentlichte letztes Jahr seinen Grundwertekodex. In dem steht unter anderem: „Wir treten jeder Form von diskriminierenden Verhaltensweisen entgegen.“ Und noch etwas spezifischer:

Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung.

BVB-Homepage (Link zu PDF)
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Weiche Landung in Sicht? Neue Hoffnung für Derby County

Seit fast zwei Jahren geht es für die „Rams“ abwärts. Nicht stetig, aber bisher unaufhaltsam. Genau das ist das besonders Schmerzhafte für die Fans: Immer wieder keimte Hoffnung auf, schien sich etwas zu bewegen. Und immer wieder wartete man vergebens. Die sportliche Talfahrt von Derby County begann bereits in der Saison 2020/21: Unter Trainer-Novize Wayne Rooney konnten sich die Rams erst am letzten Spieltag vor dem Abstieg retten. Nicht geholfen hatte in jener Saison ein weiches Transferembargo aufgrund von Verfehlungen der Vereinsführung im finanziellen Bereich. Alles zur Situation im letzten Sommer könnt ihr in meinem damaligen Artikel nachlesen.

Der damalige Klubbesitzer Mel Morris galt selber als Derby-Fan und hatte sich in den Jahren zuvor immer mal wieder in die Arbeit der Angestellten eingemischt. 2021 wollte er den Klub verkaufen. Zwei Übernahmeversuche waren bereits gescheitert (siehe den oben verlinkten Artikel). Dann folgte das Szenario, das die Fans nicht für möglich gehalten hätten und das Morris alle Sympathien gekostet hat: Der Eigentümer meldete für die Rams Insolvenz an. Allerdings nicht für das Stadion Pride Park, das er sich ein paar Jahre zuvor quasi selbst verkauft hatte.

Mit 21 Minuspunkten gegen den Abstieg

Die Konsequenz: In der abgelaufenen Saison wurden den Rams zunächst 12 Punkte für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abgezogen. Als Insolvenzverwalter wurde die Firma Quantuma eingesetzt. Sie konnte nicht verhindern, dass im November ein weiterer Neun-Punkte-Abzug aufgrund von Verstößen gegen die Regeln zur Profitabilität und Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit dem Stadionverkauf erfolgte. Mit insgesamt 21 Minuspunkten war der Klassenerhalt der Rams schon mitten in der Saison in weite Ferne gerückt. Nicht, dass Wayne Rooney, sein Assistent Liam Rosenior und die Mannschaft nicht alles versuchten: Bis ins neue Jahr hinein hatten sie den enormen Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz so weit reduziert, dass der Klassenerhalt zumindest denkbar erschien. Die Fans zogen mit und feierten den fast aussichtslosen Kampf ihres Teams.

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Von der Premier League in den Amateurfußball?

Patronen in der Post des Klubbesitzers – das würde man vielleicht mit dem kolumbianischen Fußball assoziieren, passiert ist es jedoch in der Region Manchester. So berichtet es jedenfalls Abdallah Lemsagam, der Besitzer des Viertligisten Oldham Athletic. Oldham ist eine 96.000-Einwohner-Stadt in Greater Manchester, elf Kilometer vom Stadtzentrum des großen Nachbarn entfernt und arg in dessen Schatten stehend. Zu den vielen Dingen, die in Manchester erfolgreicher sind, gehört der Fußball. Wer neben City und United sowie vielen niedrigklassigeren Vereinen in der Region bestehen will, hat es grundsätzlich nicht einfach.

Das wissen auch die Fans der „Latics“ – und dennoch gibt es seit geraumer Zeit Proteste gegen Lemsagam, die nun einen unrühmlichen Höhepunkt gefunden haben. Die widerwärtige Form der Kommunikation, die ein vermeintlicher Fan anscheinend gewählt hat, wird inzwischen von der Greater Manchester Police untersucht. Dass überhaupt protestiert wird, ist dagegen alles andere als verwunderlich. Lemsagam, ein früherer Spielerberater, übernahm Oldham im Januar 2018 in der League One (dritte Liga). Im Mai 2018 stiegen die Latics ab. Seither spielen sie in der viertklassigen League Two – und stehen derzeit auf dem 24. und letzten Tabellenplatz; mit 18 Punkten aus 24 Partien, vier Zähler hinter dem rettenden 22. Rang, bei einem Spiel mehr als der dort platzierte Kontrahent Colchester United.

Sportlich am Abgrund

Sollte Oldham Athletic am Ende der Saison immer noch auf einem der beiden letzten Plätze stehen, wären sie der erste ehemalige Premier League-Klub, der in den ‚Amateurfußball‘ absteigt. Zwar gibt es in der fünftklassigen National League und selbst in ihren Nord- und Süd-Staffeln auf der sechsten Ebene ebenfalls Vereine, die unter Profibedingungen arbeiten. Aber nach wie vor ist der Absturz vom League- in den Non-League-Football (gemeint sind hier die Spielklassen unterhalb der English Football League (EFL)) ein tiefer Einschnitt, finanziell wie psychologisch. Aus der National League steigt nur ein Verein direkt in die League Two der EFL auf; ein weiterer über die Play-Offs. Dass die Latics nun kurz vor diesem Abgrund stehen, muss die Fans also beunruhigen.

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Volle Portion Krise am County Ground

Kein Geld, kaum Spieler, kein Trainer, kein Geschäftsführer, Streit um die Eigentümerschaft, Mietschulden: Die Fans des englischen League Two-Clubs Swindon Town müssen derzeit einiges ertragen, vielleicht mehr als je zuvor. Die „Robins“ aus der 157.000-Einwohner-Stadt Swindon in Wiltshire sind außerdem frisch abgestiegen. Doch das ist noch das geringste Problem.

Kern des Dilemmas: Der bisherige Besitzer Lee Power, ein ehemaliger Profi und Spielerberater, kann oder will die Robins nicht mehr finanzieren und möchte den Club eigentlich veräußern. Allerdings nicht so gerne an Miteigentümer Clem Morfuni, dem aktuell 15 Prozent der Anteile gehören – denn Power schwebt ein werthaltigeres Angebot vor. Ein Gericht hat allerdings bestätigt, dass dem Miteigentümer ein Vorkaufsrecht zusteht. Morfuni, ein australischer Geschäftsmann, der erfolgreich in der Baubranche tätig ist, wird bei seinem Vorstoß zur Übernahme von Swindon vom Supporters Trust, der Fan-Stiftung des Vereins, unterstützt. Diese hat sich den wahrscheinlichen neuen Besitzer nach eigenen Angaben schon mal genauer angesehen.

Schuldzuweisungen und ein Exodus

Lee Power hat dagegen längst jeden Kredit bei den Anhängern der Robins verloren. Und an dieser Situation ist nicht nur die Corona-Pandemie schuld: Schon zuvor wurde Power vorgeworfen, im Zweifelsfall eher eigennützig als im Sinne des Clubs zu handeln. Entsprechend wenig Glauben wurde einer Mitteilung auf der Vereinshomepage geschenkt, in der Morfunis Axis Group für die Verzögerung bei der Übernahme verantwortlich gemacht wird. Es sei noch keine Zahlung eingegangen und dies habe zu diversen Problemen beim Betrieb des Clubs geführt. Weiterlesen „Volle Portion Krise am County Ground“

Das Ende der Super League und die Folgen

Das Scheitern war spektakulär: Nur zwei Tage, nachdem zwölf europäische Topvereine die Gründung einer Super League angekündigt hatten, ist das Projekt an einer Mauer des Widerstands zerbrochen. Alle sechs englischen Clubs haben sich zurückgezogen, ebenso Atletico und Inter. Am ehesten stehen noch Real Madrid und Juventus, die Clubs der mutmaßlichen Initiatoren Florentino Perez und Andrea Agnelli, hinter dem Plan. Doch Agnelli hat nun laut Reuters eingeräumt, dass die Super-Liga ohne die englischen Vertreter nicht funktionieren wird. Dass dieser Coup so schnell in sich zusammenfallen würde, hätten wohl nicht mal die kühnsten Optimisten gedacht. Auch ich hatte mit einer monatelangen, auch juristischen Auseinandersetzung gerechnet. Ausschließen kann man inzwischen, dass es sich nur um ein Manöver zur Ablenkung von der Champions League-Reform handelte – aufgrund des Vorgehens der Verschwörer erscheint das heute absurd.

Die wenigsten Fans werden alle Gegner der Super League sympathisch finden. Es war dennoch wichtig, dass sie alle zusammenstanden: Alexander Ceferins UEFA, Gianni Infantinos FIFA, Boris Johnsons Regierung, die nationalen Fußballverbände, darunter der DFB mit Fritz Keller und Rainer Koch, der BVB, FCB und PSG, die eine Einladung zur ESL ausschlugen, viele der betroffenen Spieler sowie natürlich und vor allem die Fans, gerade auch die der beteiligten Clubs. Alle haben eine klare, kompromisslose Botschaft an die Vereinsverantwortlichen der ESL gesendet; niemand ist von der harten Linie abgewichen. Wie lange diese Solidarität gehalten hätte, werden wir nun nicht erfahren – zum Glück. Bei allem, was den normalen Fan von den genannten anderen Akteuren trennt: Es ist gut zu wissen, dass es zumindest einen Minimalkonsens über die Grundwerte des Sports gibt. So bleibt auch ein wenig Hoffnung erhalten, dass Fußball das „beautiful game“ bleiben oder wieder werden wird.

Perez & Co inszenieren sich als Wohltäter

Ihre juristischen Hausaufgaben mag die ESL ja gemacht haben – zumindest glaubten ihre Vertreter das, aber die Wucht der öffentlichen Meinung wurde grandios unterschätzt. Die Solidarisierung ihrer eigenen Spieler und Trainer mit den Gegnern des Projekts, die ganz klaren Drohungen der nationalen wie internationalen Verbände sowie der britischen Regierung und die wütenden Fanproteste haben einen Verein nach dem anderen zum Einknicken gebracht. Als die erste Karte weggezogen wurde, war es nur eine Frage der Zeit, bis das Kartenhaus zusammenstürzte.

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European Super Greed

Es wird konkret: Zwölf Fußballvereine, oder eher -unternehmen, haben sich letzte Nacht öffentlich dazu bekannt, eine European Super League (ESL) gründen zu wollen – und zwar so bald wie möglich. Es handelt sich um Manchester City und United, FC Liverpool, FC Chelsea, Arsenal, Tottenham Hotspur, Real und Atletico Madrid, FC Barcelona, AC Milan, Inter sowie Juventus Turin. Zu diesen zwölf sollen drei weitere Clubs stoßen – alle diese Gründungsmitglieder wären in der ESL ständig dabei, also buchstäblich unabsteigbar. Fünf weitere Vereine könnten sich Jahr für Jahr qualifizieren; wer sich bewährt, der soll in den folgenden Jahren einfacher reinkommen. Diese Regelung ist jedoch noch nicht im Detail ausgearbeitet.

Die kompletten bis dato bekannten Details gibt es heute überall zu lesen, etwa im Kicker. Den Qualifikationsmodus schon fertig zu denken, wäre auch reichlich verfrüht – schließlich gibt es massiven Widerstand gegen die ESL von Verbänden, darunter UEFA und FIFA, Vereinen, Regierungen und Fans. Bis zum öffentlichen Bekenntnis der zwölf Gründungsmitglieder bin ich davon ausgegangen, dass das erneute Auftauchen der Pläne zu diesem Zeitpunkt die Opposition gegen die Reform der Champions League schwächen sollte. Schließlich steckte in derem schon beinahe durchverhandelten neuen Modus neben einer Inflation der Spielezahl auch die Qualifikation per Koeffizient drin: Zunächst zwei Teams sollten nicht nach aktueller sportlicher Leistung, sondern aufgrund früherer ‚Verdienste‘ ausgewählt werden. Diese Tatsache war zurecht zutiefst unpopulär bei den Fans, wird aber durch den „closed shop“ einer European Super League mit 15 Dauer-Teilnehmern völlig in den Schatten gestellt.

Das breitenwirksame Bekenntnis zur ESL macht eine Rückkehr der Abtrünnigen zu Gesprächen über die Champions League nun schwierig. Ist es also mehr als ein Täuschungsmanöver? So sehr es nach einem ernsthaften Unterfangen aussieht: Den zwölf Clubs dürfte klar gewesen sein, dass sie es mit einer im Fußball noch nie da gewesenen Front der Ablehnung zu tun bekommen werden. Blieben alle anderen Player konsequent, würden die ESL-Teilnehmer aus allen anderen Wettbewerben ausgeschlossen, vor allem den nationalen Ligen und Pokalwettbewerben. Außerdem dürften Spieler, die in der ESL auflaufen, keine Länderspiele mehr bestreiten. Sind die Beteiligten bereit für diese Konsequenzen oder hoffen sie doch auf eine Eingung mit der UEFA, auf einen Kompromiss, der noch über die geplante UCL-Reform hinausgeht? Weiterlesen „European Super Greed“

Halbzeitansprache und fromme Wünsche

Die letzte Winterpause der Zehnerjahre hat begonnen und mit der neuen Dekade könnte eine Zeitenwende auf Fußball-Deutschland zukommen. Zur Halbzeit besetzt RB Leipzig die Tabellenspitze der 1. Bundesliga, ist also Herbstmeister, auch wenn diesen Titel ja nie jemand haben will. Doch die Statistik sagt aus, dass bis dato 67,9 Prozent der Klubs, die zur Winterpause vorne standen, auch Meister wurden. Am häufigsten betraf das natürlich den FC Bayern, weswegen alle, die lieber den Rekordmeister als den Brauseklub vorne sehen würden, noch Hoffnung haben. Ich gehöre mit vollem Herzen zu eben diesen Menschen.

Für mich ist 2020 in der Bundesliga am wichtigsten, dass Leipzig nicht Meister wird. Sollte es doch so kommen, wäre das ein Bruch mit allem, was man sich vom Fußball noch erhofft. Dieser Mitbewerber ist auf so vielen Ebenen falsch – von der Gründung bis in die jüngste Gegenwart. Man denke an das zum Glück abgebrochene Techtelmechtel mit Paderborn oder die fragwürdige Gestalt Dietrich Mateschitz. Es wäre auch ein Signal an weitere angehende Rasenballsportler in neuen Konstrukten. Deswegen wären mir alle anderen möglichen Meister lieber: die falsche Borussia, die großen Bayern, ja sogar – dare I say it – der FC Schalke.

Und die richtige Borussia? Es war ein schwer zu ertragendes Auf und Ab in der Hinserie. Zuletzt gab es einen Punkt aus zwei Spielen. In beiden Partien spielten die Schwarz-Gelben nicht so schlecht wie manches Mal zuvor. Vieles sah zuletzt nach Aufwärtstrend aus. Doch blöde Fehler und vergebene Chancen kosteten den BVB fünf Punkte. Die Zahlen lügen nicht: Man liegt sieben Punkte hinter – ausgerechnet – Leipzig, steht so eben noch auf einem Champions League-Platz.

Klar, das ist nicht uneinholbar. Aber die Borussia hat in der Hinserie nie die Konstanz gezeigt, die nötig wäre, um uns noch daran glauben zu lassen. Und demzufolge muss es zur Not jemand anders richten. Könnte der BVB auch einen anderen Trainer vertragen? Auch hier gab es für mich ein Auf und Ab der Gefühle gegenüber Lucien Favre. Ich war, als es zum ersten Mal um seine Verpflichtung ging, nicht überzeugt von ihm und freute mich, als Peter Bosz Trainer wurde. Später habe ich mich mit Favre abgefunden und sogar aus der Distanz angefreundet. Diese Saison hat er mich wie die ganze Mannschaft enttäuscht. Und ich glaube nicht, dass er die Spieler noch mal so mitreißen kann, wie es nötig wäre.

Es ist ein Dilemma: Lucien Favre und seine Ergebnisse sind zu gut, um ihn zu feuern. Aber wir werden mit ihm wahrscheinlich nicht mehr oben angreifen können. Oder können es gezielte, vermutlich teure Verstärkungen noch rumreißen? Mein Glaube daran ist überschaubar. Frohe Weihnachten!

Leipzig Go West

Wer sich fragte, warum es immer noch so komische Fußballfans gibt, die finden, dass RB Leipzig nie in die Bundesliga hätte gelassen werden sollen: bitte weiterlesen! Rund um den Tabellendritten gibt es heute dreifach Neuigkeiten zu vermelden.

Zunächst mal haben die Leipziger einen neuen Sportdirektor verpflichtet: Markus Krösche kommt vom Aufsteiger SC Paderborn, laut Kicker für rund 700.000 Euro. Ganz klar: Kann man machen, noch dazu zwischen zwei Spielzeiten. Alles normal.

Die Verpflichtung war nötig, weil – und das ist dann schon Breaking News-Material – Ralf Rangnick beim ‚Verein‘ RB aufhört und als „Head of Sport and Development Soccer“ ins Brauseunternehmen wechselt. Dort wird er sich nun mehr um die US-amerikanischen und brasilianischen Filialen kümmern und für Leipzig noch „beratend“ tätig sein. Gut, man ist von RB Personalrochaden gewohnt und das ist keine, wegen der man einen Wutanfall kriegen müsste.

Nicht Rangnick ist der Hammer

Doch etwas später kommt dann die dritte Meldung: Der SC Paderborn kündigt auf seiner Webseite eine vertraglich fixierte langfristige Kooperation „im sportlichen Bereich“ mit RB Leipzig an. Das Ziel: „sich zu unterstützen und das jeweils vorhandene sportliche Potenzial bestmöglich auszunutzen“. Der Präsident und Vorsitzende des Wirtschaftsrates beim SCP, Elmar Volkmann, freut sich auf eine „intensive Zusammenarbeit“. Die vereinbaren zwei Klubs, die nächste Saison in der 1. Bundesliga aufeinandertreffen!

Zu den genauen Vertragsinhalten wurde wohlweislich „Stillschweigen“ vereinbart. So muss die natürlich zu erwartende Kritik spekulativ bleiben. Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff ließ immerhin so viel in seinem fancy Duktus verlauten: „Es wurde sich auf einen Austausch im Scouting, Hospitation und auf Commercial-Ebene verständigt. Wir haben das detaillierter besprochen und schriftlich fixiert.“

Da muss man gar nicht mehr groß spekulieren um sich eindeutig zu positionieren. Schon das Bekannte reicht: Hier deutet sich die Westausdehnung des deutschen RB-Imperiums an. Ein deutscher FC Liefering. Natürlich werden Leipziger Verantwortliche empört reagieren, wenn jemand von einem Farmteam spricht. Es muss auch nicht so offensichtlich laufen. Es wird keine Spielabsprachen geben. Eher so etwas wie: Ralf Rangnick entdeckt diesen tollen Rechtsverteidiger in Brasilien und empfiehlt ihn Krösches Nachfolger in Paderborn. Der SCP holt ihn für zwei Jahre, um ihn dann in die Hauptstadt Leipzig weiterzureichen. So funktioniert RB-Fußball, nur bisher nicht innerhalb eines Landes.

Das wäre, ob so oder so ähnlich, ein Tabubruch, ein Tiefschlag gegen den sportlichen Wettkampf. Zwei Klubs in einer Liga machen gemeinsame Sache und verschaffen sich dadurch potenziell Vorteile gegenüber anderen Wettbewerbern im Abstiegskampf (SCP) oder Meisterrennen (RBL). Und deshalb muss diese Kooperation von der DFL im Ansatz gestoppt werden, wenn sie sich noch einen Rest Glaubwürdigkeit bewahren will.