Transfer mit Beigeschmack: Felix Nmecha kommt zum BVB

Jetzt ist er da: Borussia Dortmund hat Mittelfeldspieler Felix Nmecha vom VfL Wolfsburg verpflichtet. Der 22-Jährige, der auch schon für die deutsche Nationalmannschaft am Ball war, kostet die Schwarz-Gelben laut Kicker rund 30 Millionen Euro inklusive Boni. Es war ein Transfer, der sich angekündigt und schon im Vorfeld für Diskussionen gesorgt hatte – allerdings kaum sportlicher Art.

Die Fakten sind inzwischen bekannt: Felix Nmecha ist strenggläubiger Christ und hat bei Instagram homophobe/queer-feindliche Inhalte geteilt. Zwischen diesen beiden Fakten gibt es keinen obligatorischen Zusammenhang, aber Nmecha hat getan, was er getan hat und sich auf seinen Glauben berufen. Borussia Dortmund veröffentlichte letztes Jahr seinen Grundwertekodex. In dem steht unter anderem: „Wir treten jeder Form von diskriminierenden Verhaltensweisen entgegen.“ Und noch etwas spezifischer:

Wir werden uns stets für das gesellschaftliche Gelingen einsetzen. Darunter verstehen wir ein Vereinsleben und eine Gesellschaft ohne Rassismus, Antisemitismus, LSBTI+-Feindlichkeit, Sexismus, Gewalt und Diskriminierung.

BVB-Homepage (Link zu PDF)

Keine echte Distanzierung

Die von Felix Nmecha zumindest in sozialen Medien geteilte Position war also unvereinbar mit den Werten von Borussia Dortmund. Wollte man den Wolfsburger verpflichten, musste dieser zurückrudern. Nmecha äußerte Mitte Juni auf seinem Insta-Account, dass er alle Menschen liebe und niemanden diskriminiere. Auf homosexuelle Menschen ging er nicht gesondert ein. In der Zwischenzeit hat sich Nmecha mit Hans-Joachim Watzke und BVB-Präsident Reinhold Lunow zu diesem Thema ausgetauscht. Die Vereinsverantwortlichen lassen nun verlauten, Felix habe sie „in intensiven Gesprächen absolut davon überzeugt, dass er kein transphobes oder homophobes Gedankengut in sich trägt„. Lunow ergänzt bei Twitter: „Im direkten Gespräch (…) hat er mir glaubwürdig versichert, dass er die Werte unseres Grundwertekodex teilt und danach handeln wird.“

Nmecha selber wiederholte nochmal, dass er Christ sei, alle Leute liebe und niemanden diskriminiere. Er sagte auch, er glaube, „dass einige Dinge aus dem Kontext gerissen wurden“ – die Standard-Ausrede für alle Politiker und andere Prominente, denen ein verbaler Lapsus unterlaufen ist. Wobei dieses aus-dem-Zusammenhang-reißen durchaus vorkommt – etwa bei weniger seriösen (sozialen) Medien. In diesem Fall ist es aber nicht ersichtlich.

Wie geht es in der Causa weiter? Vermutlich wird sich Felix Nmecha weiterhin zu seinem Christsein bekennen (was selbstverständlich vollkommen ok ist) und homophobe Äußerungen künftig nicht mehr teilen. Das wäre ein Fortschritt, aber es bleibt auch ein Widerspruch. Denn die fragwürdigen Inhalte hatte der Neu-Dortmunder ja nicht irgendwann in seiner Jugend, sondern in diesem Jahr verbreitet. Es ist also verständlich, wenn ihm schwarz-gelbe Fangruppen und gerade direkt Betroffene wie die Rainbow-Borussen nicht gleich verzeihen und ihn nicht mit offenen Armen empfangen.

Wie passt Nmecha sportlich zu Borussia Dortmund?

Sportlich erwarten sich die BVB-Verantwortlichen einiges von Felix Nmecha. Für Sportdirektor Sebastian Kehl ist er „ein schneller, technisch versierter und physisch starker Spieler, der unser Mittelfeld durch sein Profil sowohl offensiv als auch defensiv bereichern wird„. Nmecha selbst beschreibt seinen Spielstil so:

Ich versuche mit und ohne Ball viel für die Mannschaft zu arbeiten. Dabei will ich selbstbewusst spielen, immer den Ball haben, kreativ sein und für die Mannschaft kämpfen.“

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Das alles hört sich natürlich nach Jude Bellingham an. Dessen Nachfolger hofft man, mit Nmecha gefunden zu haben. Deswegen hat man 30 Millionen investiert. Nun ist es nicht so, dass sich 30 Millionen für einen deutschen Nationalspieler immer ausgezahlt hätten. Bei Schürrle und Götze Teil 2 taten sie das definitiv nicht. Karim Adeyemi hat nach einer schwachen Hinrunde sein Potenzial gezeigt, aber auch in der Rückserie nicht in jedem Spiel geglänzt. Immerhin: Da kann noch was kommen.

Felix Nmecha spielte in der vergangenen Saison 30-mal in der Bundesliga, kam auf drei Tore, sechs Assists und eine Kicker-Durchschnittsnote von 3,6. Bellingham hatte bei 30 benoteten Spielen einen Durchschnitt von 3,25, erzielte acht Tore und bereitete fünf vor – in einem wohlgemerkt besseren Team. Es ist also nicht auszuschließen, dass Nmecha in der kommenden Saison noch bessere Werte schafft – den Status von Jude wird er aber vermutlich nicht erreichen. Der BVB könnte das mit weiteren Verpflichtungen ausgleichen. Doch insbesondere wenn es auf der Abgabe-Seite weiter stockt, haben die Schwarz-Gelben nicht so viel Spielraum wie man ihn wohl bräuchte.

Zwietracht oder Versöhnung?

Der Nmecha-Transfer spaltet die Meinungen bei der Borussia – hoffentlich nicht den Verein selber. Nun will man sich ohnehin nicht mit allen verbrüdern, die da so im Stadion stehen oder in den sozialen Medien zum BVB posten. Aber eine längerfristig wirklich gespaltene Anhängerschaft wäre Gift für die Ziele der Schwarz-Gelben. Vermutlich wird es dazu nicht kommen – Fußball ist schnelllebig. Trotzdem wäre ein Transfer wünschenswert gewesen, der weniger polarisiert – und einen Spieler nach Dortmund bringt, hinter dem man uneingeschränkt stehen kann.

Vielleicht schafft Felix Nmecha es tatsächlich, die Zweifler irgendwann nicht nur sportlich, sondern auch menschlich von sich zu überzeugen. Dazu muss noch deutlich mehr von ihm kommen. Vielleicht darf man von einem Verein wie Borussia Dortmund aber auch mehr Kreativität auf dem Transfermarkt erwarten – dann hätten wir die jetzige Situation gar nicht.

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