Seit fast zwei Jahren geht es für die „Rams“ abwärts. Nicht stetig, aber bisher unaufhaltsam. Genau das ist das besonders Schmerzhafte für die Fans: Immer wieder keimte Hoffnung auf, schien sich etwas zu bewegen. Und immer wieder wartete man vergebens. Die sportliche Talfahrt von Derby County begann bereits in der Saison 2020/21: Unter Trainer-Novize Wayne Rooney konnten sich die Rams erst am letzten Spieltag vor dem Abstieg retten. Nicht geholfen hatte in jener Saison ein weiches Transferembargo aufgrund von Verfehlungen der Vereinsführung im finanziellen Bereich. Alles zur Situation im letzten Sommer könnt ihr in meinem damaligen Artikel nachlesen.
Der damalige Klubbesitzer Mel Morris galt selber als Derby-Fan und hatte sich in den Jahren zuvor immer mal wieder in die Arbeit der Angestellten eingemischt. 2021 wollte er den Klub verkaufen. Zwei Übernahmeversuche waren bereits gescheitert (siehe den oben verlinkten Artikel). Dann folgte das Szenario, das die Fans nicht für möglich gehalten hätten und das Morris alle Sympathien gekostet hat: Der Eigentümer meldete für die Rams Insolvenz an. Allerdings nicht für das Stadion Pride Park, das er sich ein paar Jahre zuvor quasi selbst verkauft hatte.
Mit 21 Minuspunkten gegen den Abstieg
Die Konsequenz: In der abgelaufenen Saison wurden den Rams zunächst 12 Punkte für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens abgezogen. Als Insolvenzverwalter wurde die Firma Quantuma eingesetzt. Sie konnte nicht verhindern, dass im November ein weiterer Neun-Punkte-Abzug aufgrund von Verstößen gegen die Regeln zur Profitabilität und Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit dem Stadionverkauf erfolgte. Mit insgesamt 21 Minuspunkten war der Klassenerhalt der Rams schon mitten in der Saison in weite Ferne gerückt. Nicht, dass Wayne Rooney, sein Assistent Liam Rosenior und die Mannschaft nicht alles versuchten: Bis ins neue Jahr hinein hatten sie den enormen Rückstand auf einen Nichtabstiegsplatz so weit reduziert, dass der Klassenerhalt zumindest denkbar erschien. Die Fans zogen mit und feierten den fast aussichtslosen Kampf ihres Teams.
Parallel dazu versuchte im Hintergrund Quantuma, den Klub an den Mann oder die Frau zu bringen. Darüber drang weniger an die Öffentlichkeit, als die Fans es sich wünschten. Einerseits war das verständlich bei dieser Art von Verhandlungen – andererseits hatten die Insolvenzverwalter zu Beginn des Verfahrens so viel Transparenz wie möglich versprochen. Tatsächlich mussten sich die Anhänger meist mit dürren, vertröstenden Mitteilungen von Quantuma und kleinen Info-Brocken aus den Sport- und sozialen Medien begnügen.
Bis gegen Ende 2021 ein Kaufinteressent selbst an die Öffentlichkeit trat und unter anderem auf Twitter verkündete, die Rams übernehmen zu wollen: Chris Kirchner. Der 34-jährige Texaner, Gründer und CEO des Logistik-Unternehmens slync.io und passionierter Golfspieler, sagte alles, was Fußballfans gerne hören: Er wolle langfristig in Derby investieren, wichtige Posten mit echten Fußball-Experten besetzen und den Elite-Status der Jugendakademie erhalten. Kirchner zeigte sich im Pride Park, unterhielt sich mit Trainer Rooney und gab auch ein Angebot ab. Kurz vor Weihnachten wurde allerdings bekannt, dass er dieses zurückgezogen hatte. Während der US-Amerikaner beteuerte, einen sehr detaillierten, nachhaltigen und ehrgeizigen langfristigen Business-Plan präsentiert zu haben, sprachen die Insolvenzverwalter von einem Angebot, das unter dem anderer Bieter geblieben sei.
Alte Bieter, neue Bieter
Mit diesen anderen Bietern, zu denen schon damals Ex-Newcastle United-Besitzer Mike Ashley gehört haben soll, wurde weiter verhandelt. Allerdings ohne sichtbaren Fortschritt, was aufgrund der laufenden Kosten nicht nur die Fans, sondern zunehmend auch die English Football League (EFL), den Ligaverband, beunruhigte. Gegen Ende der Saison ließen die sportlichen Kräfte nach; der Abstieg der Rams wurde immer realer. Ob die Kaufinteressenten auf die endgültige Entscheidung über die Ligazugehörigkeit warteten oder Quantuma zu wenig tat, sei mal dahingestellt.
Als es jedenfalls darum ging, endlich einen „präferierten Bieter“ zu ernennen, der dann für eine gewisse Zeitspanne exklusiv die Möglichkeit hat, den Kauf über die Bühne zu bringen, war Chris Kirchner wieder da. In den Monaten zuvor hatte der Texaner mal eben versucht, Derbys Ligakonkurrenten Preston North End zu übernehmen, war dort aber ebenfalls gescheitert. Sein zweites Angebot für Derby war offensichtlich überzeugender: Kirchner wurde „preferred bidder“ und unterzeichnete schon die ersten Vereinbarungen zum Kauf. Anfang Juni fehlte nur noch eins: das Geld. Von dessen Existenz muss Kirchner Quantuma und die EFL zumindest auf dem Papier überzeugt haben. Doch auf dem Konto kam es nicht an, was der 34-Jährige zunächst auf Feiertage in den USA und Großbritannien schob.
Am 10. Juni lief eine Deadline der Insolvenzverwaltung ab und Kirchner zog sein Angebot erneut zurück. Quantuma nahm – inzwischen unter gehörigem Zeitdruck – erneut die Verhandlungen mit Ashley, einem Konsortium rund um Andy Appleby, Ex-Vorsitzender von Derby County, und vermutlich Steve Morgan, früher bei den Wolverhampton Wanderers, auf. In dieser extrem prekären Lage tauchte letzte Woche offiziell ein neuer Name auf: David Clowes, mit Clowes Developments im Immobiliengeschäft tätig. Das laut Fußball-Finanzexperte Kieran Maguire (Price of Football Podcast, Ausgabe vom Montag) erfolgreiche Unternehmen ist angeblich rund 300 Millionen Pfund wert und in der Grafschaft Derbyshire ansässig. Obendrein ist Clowes auch noch langjähriger Derby-Fan – so wie allerdings nach eigenen Angaben auch Vorbesitzer Morris.
Clowes kommt, Rooney geht
David Clowes hatte jedoch sofort ein schlagendes Argument auf seiner Seite: Ihm gehörte inzwischen das Stadion Pride Park, das er von Morris erworben hatte. Zuvor war die Heimstätte der Rams eher ein Hindernis bei den Verhandlungen gewesen, da sie eben nicht zur Insolvenzmasse gehörte. Am Freitag reichte Clowes auch ein Angebot für Derby County ein, das Anfang dieser Woche akzeptiert wurde. Auch die Überprüfung durch die EFL hat er offenbar bereits bestanden. Laut Quantuma sieht Clowes‘ Plan vor, den Gläubigern des Vereins einen Mindestanteil der Ausstände zu garantieren, was nach EFL-Statuten verhindert, dass Derby County erneut mit einem Punktabzug belegt wird. Bis heute soll der Deal endgültig abgeschlossen werden – was angesichts des bisherigen Prozesses nach einem sehr ehrgeizigen Zeitplan klingt. Doch wenn wichtige Parameter stimmen, kann es offensichtlich manchmal ganz schnell gehen.
Es wäre nicht Derby County, wenn es nicht noch ein „Aber“ gäbe. Quasi parallel zu Clowes‘ Angebot gab Wayne Rooney am Freitag seinen Rücktritt bekannt. Durch seine Standhaftigkeit im Auge des Chaos und die zwischenzeitlich beachtlichen Auftritte seiner Mannschaft hatte sich der Trainer größten Respekt bei den Fans erworben. Nun verkündete er drei Tage vor dem Auftakt der Saisonvorbereitung am Montag, zu der nur fünf bis sieben über Juni hinaus unter Vertrag stehende Profis erwartet wurden, dass Derby von jemandem mit „frischer Kraft“ geleitet werden solle. Rooney hatte sich in den Monaten zuvor mehrmals für Chris Kirchner als Klubbesitzer ausgesprochen, zu dem er offenbar einen guten Draht gefunden hatte. Warum der Trainer aber nach Kirchners Rückzug noch zwei Wochen mit seiner Entscheidung wartete, weiß nur er selber.
Als Interimslösung soll nun zunächst der bisherige Assistenztrainer Liam Rosenior die noch recht überschaubare Mannschaft anleiten. Rosenior war zuletzt angeblich als Trainer beim Zweitligisten Blackpool im Gespräch und hatte mit Sicherheit seinen Anteil an den phasenweise positiven Resultaten in 2021/22. Ob er Clowes‘ Mann für die nächste Saison wird, wer das überhaupt entscheidet und wen Rosenior aufs Spielfeld schicken kann – all das ist noch ungeklärt. Nur eines ist sicher: In Derby wird es nicht so schnell langweilig.
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