Leipzig Go West

Wer sich fragte, warum es immer noch so komische Fußballfans gibt, die finden, dass RB Leipzig nie in die Bundesliga hätte gelassen werden sollen: bitte weiterlesen! Rund um den Tabellendritten gibt es heute dreifach Neuigkeiten zu vermelden.

Zunächst mal haben die Leipziger einen neuen Sportdirektor verpflichtet: Markus Krösche kommt vom Aufsteiger SC Paderborn, laut Kicker für rund 700.000 Euro. Ganz klar: Kann man machen, noch dazu zwischen zwei Spielzeiten. Alles normal.

Die Verpflichtung war nötig, weil – und das ist dann schon Breaking News-Material – Ralf Rangnick beim ‚Verein‘ RB aufhört und als „Head of Sport and Development Soccer“ ins Brauseunternehmen wechselt. Dort wird er sich nun mehr um die US-amerikanischen und brasilianischen Filialen kümmern und für Leipzig noch „beratend“ tätig sein. Gut, man ist von RB Personalrochaden gewohnt und das ist keine, wegen der man einen Wutanfall kriegen müsste.

Nicht Rangnick ist der Hammer

Doch etwas später kommt dann die dritte Meldung: Der SC Paderborn kündigt auf seiner Webseite eine vertraglich fixierte langfristige Kooperation „im sportlichen Bereich“ mit RB Leipzig an. Das Ziel: „sich zu unterstützen und das jeweils vorhandene sportliche Potenzial bestmöglich auszunutzen“. Der Präsident und Vorsitzende des Wirtschaftsrates beim SCP, Elmar Volkmann, freut sich auf eine „intensive Zusammenarbeit“. Die vereinbaren zwei Klubs, die nächste Saison in der 1. Bundesliga aufeinandertreffen!

Zu den genauen Vertragsinhalten wurde wohlweislich „Stillschweigen“ vereinbart. So muss die natürlich zu erwartende Kritik spekulativ bleiben. Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff ließ immerhin so viel in seinem fancy Duktus verlauten: „Es wurde sich auf einen Austausch im Scouting, Hospitation und auf Commercial-Ebene verständigt. Wir haben das detaillierter besprochen und schriftlich fixiert.“

Da muss man gar nicht mehr groß spekulieren um sich eindeutig zu positionieren. Schon das Bekannte reicht: Hier deutet sich die Westausdehnung des deutschen RB-Imperiums an. Ein deutscher FC Liefering. Natürlich werden Leipziger Verantwortliche empört reagieren, wenn jemand von einem Farmteam spricht. Es muss auch nicht so offensichtlich laufen. Es wird keine Spielabsprachen geben. Eher so etwas wie: Ralf Rangnick entdeckt diesen tollen Rechtsverteidiger in Brasilien und empfiehlt ihn Krösches Nachfolger in Paderborn. Der SCP holt ihn für zwei Jahre, um ihn dann in die Hauptstadt Leipzig weiterzureichen. So funktioniert RB-Fußball, nur bisher nicht innerhalb eines Landes.

Das wäre, ob so oder so ähnlich, ein Tabubruch, ein Tiefschlag gegen den sportlichen Wettkampf. Zwei Klubs in einer Liga machen gemeinsame Sache und verschaffen sich dadurch potenziell Vorteile gegenüber anderen Wettbewerbern im Abstiegskampf (SCP) oder Meisterrennen (RBL). Und deshalb muss diese Kooperation von der DFL im Ansatz gestoppt werden, wenn sie sich noch einen Rest Glaubwürdigkeit bewahren will.

Ist das schon der Favre-Faktor?

1. Bundesliga, 1. Spieltag / BVB 4 RB Leipzig 1

Ohne jetzt schnelle Schlussfolgerungen ziehen zu wollen, aber: Komisch ist das schon. Noch im Pokalspiel sahen wir den Mo Dahoud der letzten Saison, mit vielen falschen Entscheidungen und fehlendem Glück. Heute bereitet er sein eigenes Tor vor. Ja, er hätte in der zweiten Hälfte noch mal treffen müssen. Aber das wäre dann wohl zu auffällig gewesen.

Aber nicht nur Dahoud trifft – selbst die Standards gehen plötzlich rein. Es darf auch gerne im Nachschuss sein, nicht nur wenn es so herrlich ist wie Axel Witsels 3:1. Was hat Lucien Favre also gemacht? Der Trainer, dessen Teams laut Christoph Biermanns aktuellem Buch Matchplan viel effektiver sind als es die Spielstatistiken erwarten lassen?

Selbstverständlich kann das Zufall sein – gut möglich nach einem Ligaspiel. Aber es war ja tatsächlich so, dass Leipzig phasenweise, gerade zu Beginn, besser war. Schneller und gefälliger nach vorne spielte. Und am Ende mit 1:4 nach Hause fuhr. Dabei hatte der schnelle Führungstreffer der Gäste noch unangenehm an die letzte Saison unter Jürgen Klopp erinnert, die bekanntlich mit dem frühesten Tor der Bundesligageschichte begann, für Bayer Leverkusen im Westfalenstadion. Der Rest ist leider Geschichte.

Doch der BVB kam zurück in diese Partie. Entscheidend waren dabei – ja, wirklich – die Tore. Das 1:1, das gegen den Lauf des Spiels fiel. Der Doppelschlag vor der Pause, der den Mateschitzern so halb den Zahn zog – das kann schon schmerzhaft sein. Selbst wenn Roman Bürki auch in der zweiten Halbzeit noch überragend halten musste: Die Dominanz der Gäste war weg.

Das Haar in der Suppe: immer noch die Defensive. Lassen wir das 0:1 mal weg, auch wenn das nicht passieren sollte. Da schliefen eben alle Schwarz-Gelben noch. Doch die Leipziger hatten zu lange zu viel Platz auf dem Flügel. Die Außenverteidiger bekamen zu wenig kompetente Unterstützung. Ob Favres System nun ein 4-3-3, 4-1-4-1 oder 4-2-3-1 war: außen gab es zu große Lücken. Da ist noch Arbeit nötig.

Geil dagegen, Spieler zu haben wie Axel Witsel. Der macht wichtige Tore und Traumtore. Das passt, auch wenn das Mittelfeld voll ist. Oder Jadon Sancho, der reinkommt und schon wieder einen auflegt für Marco Reus. Und wenn unser Kapitän und Mo Dahoud mit Lucien Favre tatsächlich besonders gut klarkommen: Super, wenn es dann so funktioniert.

Ob Favres Magie oder nicht: 4:1 gegen Leipzig ist geil. Um das noch mal unterzubringen. Kein Videobeweis nötig, kein Meckern von Rangnick möglich. Der fand seine Mannschaft ja angeblich auch geil. Soll er doch.

Die Aufstellung: Bürki – Piszczek, Akanji, Diallo, Schmelzer (87. Guerreiro) – Witsel – Pulisic (77. Sancho), Dahoud, Delaney, Reus – Philipp (69. Wolf). Gelbe Karten: Diallo, Dahoud. Tore: Dahoud, Sabitzer (ET), Witsel, Reus

Wie RB Leipzig normal werden soll

Wir schreiben das Jahr 2016. Der deutsche Fußballalltag sieht mittlerweile so aus: Zehn Spieltage der Bundesliga-Saison sind absolviert. Auf Platz 1 steht der FC Bayern, punktgleich auf Platz 2 RB Leipzig. Was bedeutet der schnelle sportliche Erfolg für die Wahrnehmung des ungeliebten Emporkömmlings? Und welche Strategie verfolgt der Brauseklub bei seiner Selbstdarstellung?

Einerseits bestätigt der aktuelle Tabellenstand schlimmste Befürchtungen. Bei denen, die „das Konstrukt“ ohnehin ablehnen. Wird die Liga schon in absehbarer Zeit zu einem Zweikampf zwischen Dauermeister und Retortenklub? So weit ist es vielleicht noch nicht. Doch für die Akzeptanz beim neutralen oder nur leicht skeptischen Publikum ist die sportliche Situation Gold wert. Auch von BVB-Fans habe ich schon gehört, dass RB ja einen gepflegten Ball spiele. Und das im ersten Jahr in der höchsten Spielklasse, mit jungem Kader und einem Gehaltsbudget im Mittelfeld der Liga, wie Sportdirektor Ralf Rangnick gerne betont.

Der schnelle Erfolg ist eine gute Argumentationshilfe für die Leipziger Verantwortlichen, zumindest gegenüber dem Mainstream-Publikum. Denn noch kann ja nicht die Rede davon sein, dass etablierte Vereine wie der BVB, Schalke oder Gladbach von RBL wirtschaftlich überrollt werden. Dass viel Geld auch in die Strukturen und die Infrastruktur geflosen ist, die den derzeitigen Erfolg begünstigen, wird gerne übersehen. So kann dann unkritisch vom frischen Wind fabuliert werden, den der Klub in der Liga und natürlich im Osten verbreite. Einige Medien sind schon auf diesen Trip gekommen. Weiterlesen „Wie RB Leipzig normal werden soll“

Und schon wieder Trainersuche

Erst ließen die Verantwortlichen von Schalke 04 Felix Magath sehenden Auges zum Alleinherrscher aufsteigen. Im Anschluss wurde Ralf Rangnick mit den fälligen Aufräumarbeiten beauftragt. Der ist heute wegen eines Erschöpfungs-/Burnout-Syndroms als Trainer zurückgetreten. Ich will da gar keinen Zusammenhang herstellen, der Verein kann für die jüngste Entwicklung vermutlich wenig. Rangnick soll schon nach dem Ende seiner Hoffenheimer Zeit eine Pause benötigt haben. Sein Rücktritt verdient Respekt und ich wünsche ihm alles Gute, auch wenn ich ihn nie besonders gemocht habe. Er hätte seinen Verein zu diesem Zeitpunkt ohne triftigen Grund nicht im Stich gelassen.

Für Schalke beginnt damit erneut die Suche nach einem Trainer, mit dem man langfristig Erfolg haben will. Sicher nicht zum günstigsten Zeitpunkt. In der Diskussion beim „Königsblog“ kristallisieren sich drei ‚early favourites‘ für die Nachfolge heraus: Huub Stevens, Mike Büskens oder Co-Trainer Seppo Eichkorn bis zum Saisonende. Stevens klingt für einen begrenzten Zeitraum nicht unplausibel. Er würde aber von vielen als Rückschritt empfunden und würde sich selber sicher ein längeres Engagement wünschen. Vorteil: Er wäre im Gegensatz zu Büskens verfügbar. Denn der ehemals bei S04 von Magath verdrängte Büskens hat noch eine unvollendete Aufgabe: Greuther Fürth endlich in die 1. Bundesliga zu führen (was irgendjemand verhüten möge). Dem ‚Co‘ Eichkorn das Amt bis zum 34. Spieltag anzuvertrauen wäre eine Notlösung – denkbar erscheint höchstens ein Engagement bis zur Winterpause.

Es werden sicher noch andere Namen ins Spiel kommen. Warten wir es ab! Mein Gefühl bei der Sache: Ich kann in einem solchen Fall keine Häme empfinden. Ich hätte Schalke lieber mit einem gesunden Rangnick scheitern sehen.

Felix Magath und der FC Schalke: Kommunikation ungenügend

Ärger mit dem Trainer – so was passiert schon mal. Besonders in Gelsenkirchen. Jeder außerhalb des königsblauen Dunstes ahnte wohl, dass es schmutzig werden würde, wenn Alleinherrscher Magath gestürzt wird. Beim FC Schalke hatten sie zu Beginn seines Engagements auf ein Ende der Vielstimmigkeit im Verein gehofft – und haben es gnadenlos übertrieben.

Die Machtfülle, die Magath hatte, bestärkte ihn in seinem Naturell, sich von niemandem reinreden zu lassen. Aus den im Königsblog zusammengetragenen Zitaten aus Vereinskreisen ergibt sich das Bild, dass vor allem von Seiten der Verantwortlichen – und da gab es neben Magath nicht viele – zu selten und zu spät mit dem Trainer geredet wurde – beispielsweise über dessen Defizite in der Menschenführung. Die letzten ein bis zwei Wochen waren dann zweifellos ein Kommunikations-Desaster. Clemens Tönnies schwankte in seinen Aussagen wie bei Windstärke 12. Magath tat so als ob er von nichts wisse. Vermutlich waren das nur noch Rückzugsgefechte.

Über den eigentlichen Grund der Entlassung wird noch eine Weile spekuliert werden. Man darf aber trotz des Hinweises von Tönnies auf ein juristisches Nachspiel davon ausgehen, dass in den nächsten Tagen und Wochen noch einiges durchsickern wird. Gerüchteweise soll Magath die notwendige Prozedur bei Spielerverpflichtungen über 300.000 € nicht befolgt und den Aufsichtsrat nicht einbezogen haben. Es würde mich nicht wundern, wenn noch mehr ans Tageslicht käme. Eine Schlammschlacht zwischen dem Verein und Magath scheint gewiss. Ich kann (und will) es den Schalkern nicht ersparen: Das leuchtende Gegenbeispiel, wie Vorstand und Trainerstab zusammenarbeiten und kommunizieren müssen, wird bei Borussia Dortmund praktiziert. Krasser könnte der Gegensatz gar nicht sein.

Immerhin haben die Blauen die Nachfolge schon geregelt: Ein alter Bekannter kommt zurück. Ralf Rangnick ist tendenziell nervig, oberlehrerhaft und selbstgerecht, aber weniger diktatorisch und in meinen Augen ein besserer Trainer als Magath. Mit anderen Worten: Wir Dortmunder werden es lieben, ihn zu hassen. Darin immerhin unterscheidet sich Rangnick nicht von seinem Vorgänger.

Dietmar Hopp und das operative Geschäft

Es war ruhig geworden um Dietmar Hopp und die TSG Hoffenheim, seit sich der Verein vornehmlich in den mittleren Regionen der Bundesliga-Tabelle herumtreibt. Kritik am ‚Modell Hoffenheim‘ wurde zuletzt häufig als fundamentalistisches Nörgeln einiger Ewiggestriger abgetan. Rein formell genügt der Club den rechtlichen Anforderungen der DFL, auch der viel zitierten 50+1-Regel. Hopp hat in der „TSG Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH“ einen Stimmanteil von nur 49%, obwohl er 96% des Kapitals zur Verfügung stellt.

Das sportliche Geschäft ist Sache von Sportdirektor Tanner und Trainer Ralf Rangnick. Offiziell. Dass es hinter den Kulissen Absprachen und Einflussnahme gibt, war jedem halbwegs kundigen Beobachter klar. In den letzten Tagen zeigte sich jedoch selbst der Öffentlichkeit, dass die Interessen von Hopp und der sportlichen Führung divergieren und sich sogar diametral gegenüberstehen können. Der große Mäzen / Gesellschafter hat ohne Not kundgetan, dass es „sonnenklar“ sei, dass Mittelfeld-Star Luis Gustavo spätestens im Sommer zum FC Bayern wechselt. Auch wenn man nun eine gemeinsame Sprachregelung gefunden hat, widersprach diese Ansage den Ambitionen von Rangnick und Tanner. Hopp legte nahe, dass ein Wechsel schon im Winter nicht ausgeschlossen sei.

Der Hintergrund von Hopps Äußerungen: Nach Jahren der Investitionen will er die TSG mit Hilfe von Transfererlösen ‚auf eigene Beine stellen‘. Es ist nicht davon auszugehen, dass er vor hat, eventuelle Gewinne abzuschöpfen. Trotzdem ähnelt sein Verhalten dem eines x-beliebigen Investoren, der Geld in einen englischen Verein steckt. Die Nichteinmischung ins operative Geschäft, die die 50+1-Regel zum Ziel hat, konterkariert Hopp mit seinen Äußerungen deutlich. Er mischt sich sogar so deutlich ein, wie es die Investoren in England eher selten tun. Gerade die Mehrheitseigentümer, die auch Fans ihres Clubs sind, lassen in der Regel die sportliche Führung, der sie vertrauen, in Ruhe arbeiten. Und es gibt diejenigen, die wie Ipswich Town-Besitzer Marcus Evans überhaupt kein Interesse daran haben, in der Öffentlichkeit zu stehen.

Beides trifft auf Hopp nicht zu. Man kann das schlimm finden, muss es aber nicht. Nur eines sollte sonnenklar sein: Die Richtung bei der TSG Hoffenheim bestimmt Dietmar Hopp, sonst niemand.

Der letzte Schrei vom letzten Jahr

Wie oft war eigentlich Franziska van Almsick in dieser Saison im Stadion ihres Lieblingsvereins? Gottchen, Hoffe ist ja soo von gestern. Kein Erfolg, frustrierte Fans, die Spieler jung aber satt. Was sich beim nächsten BVB-Gegner zurzeit abspielt, ist ein Lehrstück über die Gefahren des schnellen Erfolgs. Und Dietmar Hopp hat spätestens in den TV-Interviews nach der Pleite gegen Köln gezeigt, dass er etwas mehr als 50+1 ist.

Die Schadenfreude bringt uns allerdings am Sonntag keine drei Punkte. Hoffenheim ist am tiefsten Punkt seit dem Aufstieg angekommen, den Klub zu unterschätzen wäre aber dämlich. Mit einem Punktgewinn im Westfalenstadion könnten die Gäste ein Zeichen setzen. Ralf Rangnick würde in der anschließenden Pressekonferenz Sätze sagen wie „wir haben gezeigt, dass es zu früh ist, uns abzuschreiben“ oder „die Mannschaft hat gezeigt, dass sie es kann und will“. Darauf hat kein Schwarz-Gelber Lust und deshalb muss unsere Mannschaft höchst konzentriert auftreten. Das Restprogramm mit zwei Abstiegskandidaten und dem um Europa kämpfenden Meister könnte schwieriger werden als gedacht – daher sind drei Punkte übermorgen Pflicht.

Bereits bekannt sind die Ausfälle von Sebastian Kehl und dem gesperrten Marcel Schmelzer. Das Fehlen von Kehl in der Endphase der Saison ist sehr schade, wohingegen die meisten BVB-Fans, mich eingeschlossen, Dede als eine exzellente Alternative zu Schmelzer ansehen dürften. Ich habe da so ein Gefühl, dass er am Sonntag eine wichtige Rolle spielen wird. Noch nicht ganz sicher sind die Einsätze von Patrick Owomoyela und Kuba. Als Ersatz für ‚Uwe‘ böte sich nur Julian Koch an, während rechts vorne diverse Personal-Rochaden möglich sind. Es ist aber gut möglich, dass beide doch spielen können.

Bei der TSG fehlen unter anderem Timo Hildebrand, Demba Ba, Vorsah und Nilsson. Der ehemalige Nationaltorwart Hildebrand hat Rücken und kann ablösefrei gehen, wenn er in dieser Saison kein Spiel mehr für Hoffenheim bestreitet. Trotz des unbestreitbaren Verlusts, den der längerfristige Ausfall eines guten Stürmers wie Demba Ba darstellt, sollte die TSG mit ihren anderen offensiven Optionen eigentlich in der Lage sein, das aufzufangen. Eigentlich. Aber der Verein steckt in einer Abwärtsspirale wie zuvor schon Hannover. Was ihnen fehlt, ist – natürlich – ein Erfolgserlebnis. Zum Beispiel in Dortmund. Das gilt es zu verhindern und das ist möglich, denn so felsenfest wie die Mainzer Innenverteidigung wird ihr Hoffenheimer Pendant nicht stehen. Wenn der BVB seinerseits Aussetzer hinten verhindern kann, wird das schon klappen am Sonntag.

Entweder ihr seid für uns oder unsere Feinde

Der Journalist Freddie Röckenhaus, der für die „Süddeutsche Zeitung“ über Borussia Dortmund berichtet – gerne auch mal kritisch – hat für die aktuelle Wochenendausgabe einen exzellenten Artikel zum Verhältnis der TSG Hoffenheim zu ihren Kritikern geschrieben und diesen mit interessanten Zahlen angereichert. Die ausgesprochen dünnhäutigen Reaktionen auf Kritik am Modell Hoffenheim oder den handelnden Personen haben bekanntlich schon Tradition, ebenso das fehlende Verständnis für Mechanismen der Fankultur. Der Artikel führt einem die überzogenen Aussagen aus Reihen der TSG noch einmal vor Augen.

Als der Mainzer Manager Heidel das Modell Hoffenheim kritisierte und es bedauerte, dass so ein Verein einen der Plätze im Profifußball besetzt, reagierte Dietmar Hopp mit einem Protest-Rundschreiben, das nicht nur an den FSV-Präsidenten Strutz, sondern auch an diverse Funktionsträger des deutschen Fußballs gerichtet war. Hopps Erfüllungsgehilfen, Manager Schindelmeiser und Trainer Rangnick, liegen voll auf Linie. Schindelmeiser bezeichnete BVB-Geschäftsführer Watzke nach den Beleidigungen Hopps durch Dortmunder Fans als „Brandstifter“. Rangnick forderte sogar allen Ernstes lebenslange Stadionverbote (sic!) für solche Beleidiger und Punktabzüge für die jeweiligen Vereine. Kein Wort verloren die Hoffenheimer Verantwortlichen meines Wissens darüber, dass Roman Weidenfeller in Sinsheim wiederholt mit Feuerzeugen und Münzen beworfen wurde.

Schindelmeiser schwingt im Fernseh-Interview implizit die „Enke-Keule“, in dem er die Aussagen von Watzke in Kontrast zu dem allseits angemahnten besseren Umgang miteinander setzt. Kritik an Hoffenheim wird somit zur Hetze stilisiert, die die empfindlichen Hoffenheimer Gemüter schädigen könnte. Ich will die größten Entgleisungen der BVB-Fans nicht bagatellisieren, aber wer selber mit rabiatem Vorgehen und Äußerungen gegen Kritiker zu Felde zieht, macht sich unglaubwürdig. Kritik muss erlaubt bleiben, scharfe und zugespitzte Kritik gehört seit jeher zur Fankultur, reine Beleidigungen sollte man natürlich bleiben lassen.

Ich fand die Äußerungen von Watzke auch überflüssig – sowohl die zu Hoffenheim als auch jene zur „Verursachergerechtigkeit“ bei den Fernsehgeldern. Röckenhaus liefert in seinem Artikel unter Berufung auf anonyme Quellen bei SKY die Zahlen zu Watzkes Argumentation. An einem normalen Bundesliga-Spieltag schauen demnach 60-80% der SKY-Zuschauer die Konferenz. Vom Rest sehen 40-50% die Bayern, die andere Hälfte verteilt sich größtenteils auf Schalke, den BVB und den HSV. Aufgrund dieser Faktenlage könnte man Watzke folgen, nur vernachlässigt diese Sichtweise die Belange der kleinen Vereine – nicht nur die von Hoffenheim oder Wolfsburg. Röckenhaus zitiert Mainz-Manager Heidel:

Watzkes Vorschlag ist der Einstieg zum Ausstieg aus der solidarischen, zentralen Vermarktung der Bundesliga-Rechte.

Und da hat Herr Heidel Recht. Eine neue Regelung der Verteilung nach dem Prinzip der „Verursachergerechtigkeit“ wäre eine mildere Form der dezentralen Vermarktung der Fernsehrechte. Die großen, beliebten und erfolgreichen Vereine könnten ihre Stellung weiter ausbauen; kleine Vereine, die weder beliebt noch reich sind, blieben auf der Strecke. Ein sportlich fairer Wettbewerb wäre noch weniger gegeben als heute.

Wer für eine solidarische, zentrale Vermarktung der Fernsehrechte ist, muss diesen Watzke-Vorschlag ablehnen. Das heißt hingegen nicht, dass man nicht über seine Ansätze diskutieren sollte, wie eine Aushöhlung der 50+1-Regelung durch Vereine wie Hoffenheim zu verhindern ist.

(Quelle: Sueddeutsche.de)

1. Bundesliga, 14. Spieltag / TSG Hoffenheim 1 BVB 2

Aufgeriebene Nerven.

Die Aufstellung: Weidenfeller – Schmelzer, Hummels, Subotic, Owomoyela – Sahin, Bender – Großkreutz, Zidan (80. Feulner), Kuba (90. Santana) – Barrios. Tore: Kuba, Sahin (FE).

Das ist die wunderbare Welt des Fußballs. Nach einem desillusionierenden Spiel letzte Woche gegen Mainz gelingt dem BVB nun tatsächlich der Auswärtssieg in Sinsheim und aufgrund der übrigen Ergebnisse ist sogar der Anschluss an Platz 5 wiederhergestellt. Es war ein wahrhaft nervenaufreibendes Spiel, vor allem in der zweiten Halbzeit, aber nach dem guten Ausgang weiß man das dann zu schätzen. Sven Bender war wieder einsatzfähig und kehrte ins defensive Mittelfeld zurück, so dass Mats Hummels und Neven Subotic wieder das Erfolgsduo in der Innenverteidigung bilden konnten. Für den verletzten Nelson Valdez kam Kevin Großkreutz zu seinem ersten Einsatz von Beginn an.

Letzte Woche gegen Mainz wartete man über 90 Minuten vergeblich, gestern konnten die BVB-Fans schon nach zwei Minuten jubeln. Nach einem Ballverlust von Salihovic spielt Sahin den Ball auf Barrios, der sehenswert in den Lauf von Kuba weiterleitet. Der war zuletzt eher Chancentod als Vorbereiter oder gar Vollstrecker, aber gestern gelang ihm mit einem souveränen Schuss die Führung. In der Folge war Hoffenheim erwartungsgemäß die spielbestimmende Mannschaft, strahlte aber überraschend wenig Torgefahr aus. Natürlich lag das zu einem großen Teil an der Zweikampfstärke unserer neuen Traum-Innenverteidigung. Mats und Neven trugen erheblich mehr zur defensiven Stabilität bei als die Außenverteidiger Schmelzer und Owomoyela.

Nach vorne war das Spiel der Schwarz-Gelben auch gestern nicht so berühmt. Viele Angriffe werden nach wie vor durch ungenaue Pässe zunichtegemacht, aber das kann noch werden. Wenn das Spiel gestern für Kuba eine Initialzündung war oder wenn Nuri Sahin noch konstanter wird. Es ist aber erstaunlich, wie viele Ausfälle die Mannschaft durch Engagement und Leidenschaft wettmachen kann. Wir haben schließlich gegen ein Hoffenheim in Beinahe-Bestbesetzung gespielt. Diese Einstellung verkörpert der Trainer – das sollte man nach diesem tollen Sieg mal wieder betonen. Weiterlesen „1. Bundesliga, 14. Spieltag / TSG Hoffenheim 1 BVB 2“

Rangnick und die Fans, Teil 2

Der Hoffenheimer Trainer Ralf Rangnick nimmt erneut die Fußballfans aufs Korn. Diesmal sind es allerdings nicht gemeine Pöbler wie beim Hallenturnier in Mannheim, die sich den Zorn des Professors zugezogen haben, sondern so ziemlich das Gegenteil, die VIP-Gäste beim Stadion-Eröffnungsspiel in Sinsheim, in der neuen „Rhein-Neckar-Arena“. Diese waren offensichtlich nach der Halbzeitpause nicht rechtzeitig auf die Tribüne zurückgekehrt, weswegen die bei Wiederanpfiff in diesem bedeutenden Spiel gegen eine Regionalauswahl zunächst sehr leer aussah. Fan-Versteher Rangnick dazu:

(…) so etwas tut mir in der Seele weh – vor allem, wenn ich daran denke, dass viele Leute keine Karten mehr bekommen haben.

Grundsätzlich habe ich für diese Kritik natürlich Sympathie, aber nach DIESEM Spiel wirkt sie doch verfrüht und reichlich kalkuliert. Überhaupt müssen sich die Hoffenheimer nicht wundern: Wer so viele VIP-Plätze schafft bzw. so viele VIPs einlädt, sollte damit rechnen, dass sich VIPs wie VIPs verhalten.

Wie stellt sich denn nun Ralf Rangnick den perfekten Fan vor? Es scheint ihm eine Art ‚Jubelperser‘ vorzuschweben…