Warum RB Leipzig nicht Normalität wird

Der nun unvermeidliche Aufstieg von Rasenballsport Leipzig in die 1. Bundesliga hat zu einer erneuten Auseinandersetzung der Medien mit dem Konstrukt geführt, das bald den deutschen Fußball aufmischen will. Die Mehrheit der Artikel in Tages- und Sportpresse steht dem Klub von Milliardär Dietrich Mateschitz neugierig oder wohlwollend gegenüber, auch wenn hier und da die Schattenseiten pflichtschuldig benannt werden. Eine Ausnahme bildet der Kommentar von René Hofmann bei Sueddeutsche.de.

Unter den RB-Apologeten kristallisieren sich unterdessen drei Argumentationslinien heraus, die eine genauere Betrachtung lohnen:

  1. Leipzig macht die Bundesliga wieder spannend. Ein sportlich gesehen nachvollziehbarer Wunsch, der nach den letzten paar Spielzeiten Konjunktur hat. Red Bull verfügt mit Sicherheit über die Mittel, langfristig den FC Bayern anzugreifen. Doch darf man sich keinen Illusionen hingeben: Der Vorsprung der Bayern ist immens. Der Rekordmeister wird abgesehen von seinem Festgeldkonto von einer Reihe potenter Sponsoren unterstützt. Und auch der Ruf des FCB wird ihn auf viele Jahre hinaus attraktiver machen als den Emporkömmling aus Sachsen. Früher könnte es RB gelingen, Vereine wie Wolfsburg, Leverkusen, Gladbach oder Schalke einzuholen. Und auch den BVB, wenn weiterhin regelmäßig Topspieler den Verein verlassen. Mateschitz‘ Ziel ist ohne Frage, das höchste Niveau zu erreichen und möglichst bald Champions League zu spielen. Mit RB Salzburg ist er daran regelmäßig gescheitert. Nun soll es also im Land des Weltmeisters gelingen. Die entscheidende Frage in diesem Punkt ist jedoch: Wollen wir überhaupt einen Zweikampf Bayern gegen RB? Soll das die Lösung für den deutschen Liga-Fußball mit seinen vielen anderen beliebten Vereinen sein? Hieße das nicht, den Teufel mit Beelzebub auszutreiben?
  2. Eigentlich ähnelt RBL dem englischen Sensationsmeister Leicester. Über den grandiosen Erfolg von Leicester City in der Premier League jubelt die Fußballwelt. Vor allem den Romantikern gibt der Titelgewinn der Foxes wieder ein wenig Hoffnung. Nun zieht mancher Kommentator, etwa Dominik Bardow im Tagesspiegel, den Vergleich zum Brauseklub. Hat nicht auch Leicester einen ausländischen Mäzen, der womöglich sogar versteckte Zahlungen geleistet hat, um das Financial Fair Play zu umgehen? Bardow selbst nennt einen gewaltigen Unterschied: Vichai Srivaddhanaprabha hat in einen 1884 gegründeten Verein investiert. Kaum ein Fußballfan hierzulande würde sich echauffieren, wenn Dietrich Mateschitz unter Beachtung der 50+1-Regel sein Geld in einen Traditionsverein wie Dynamo Dresden oder Lok Leipzig gesteckt hätte. Dass der Thailänder Srivaddhanaprabha auch Vereinsvorsitzender in Leicester sein kann, hat mit der ganz anders ausgeprägten Fußball-Vereinskultur in England zu tun. Diese kennt keinen vergleichbaren Schutzmechanismus wie „50+1“. Und trotz der beachtlichen Investitionen des Besitzers ist Leicester finanziell gesehen noch viel mehr Außenseiter als RBL.
  3. Es gibt wieder Hoffnung für den Fußball im Osten. Und nicht nur das: Die Region Leipzig wird am Aufstieg kräftig mitverdienen, wie Wirtschaftswissenschaftler Henning Zülch der Leipziger Volkszeitung erklärt hat. RB ist außerdem bisher nicht durch Problemfans aufgefallen, wie einige der ehemals großen Namen im Ost-Fußball. Also Sport für die ganze Familie, ohne lästige Nebenschauplätze? So weit, so gut – fragt sich nur, was der Rest vom Osten davon hat. Schon heute suchen die Talentscouts von RB Leipzig bundesweit nach Spielern und definieren den Begriff „aus der Region“ großzügig. Das haben sie nicht exklusiv. Aber es spricht einiges dafür, dass Mateschitz‘ Klub für viele junge Fußballer der einzige strahlende Stern im Osten sein und schon früh potenzielle Stars anlocken wird. Sowohl was Fans als auch Spieler angeht, müssen sich die anderen Vereine gegen den Bundesligisten RB Leipzig erst mal behaupten. Dynamo Dresden und Erzgebirge Aue haben die Rückkehr in die zweite Liga geschafft – doch wo werden die Talente hingehen? Es bleibt die äußerst vage Hoffnung, dass RBL als Vorbild für andere Investoren dienen könnte, die dann einen der Ost-Traditionsvereine unterstützen möchten.

Man kann die drei Punkte positiver oder optimistischer sehen. Man kann auch die fatalistische Auffassung vertreten, dass der Siegeszug des Kommerzes ohnehin nicht aufzuhalten ist und man besser die Show genießen sollte. Trotzdem bleiben die eklatanten Geburtsfehler beim Konstrukt RB Leipzig. Egal wie rechtmäßig die ganze Sache nun abgelaufen ist: Ein Verein, der Mitglieder mit anfänglich vierstelligen Jahresbeiträgen abzuschrecken versucht, ist keiner. Bis heute kann man bei RB als Außenstehender kein stimmberechtigtes, sondern nur Fördermitglied werden. Es gibt auch keine Anteilseigner außer Red Bull.

Etwas mehr Respekt hätte der Quasi-Alleinherrscher Mateschitz verdient, wenn er mit seinem „Verein“ in der Kreisklasse eingestiegen wäre, wie es bei einer Neugründung üblich ist. Aber da ihm dieser Weg wohl zu lange war, übernahm man die Oberliga-Lizenz des Umland-Klubs SSV Markranstädt – welche Summen dabei geflossen sind, ist unbekannt. Der SSV wurde nicht etwa aufgelöst, sondern spielte nach einem Jahr als RB Leipzig mit seiner zweiten als neue erste Mannschaft weiter. Heute steht man wieder in der Oberliga. Läuft so das Business?

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