„Jugendschmiede“ Borussia: Wahn und Wahrheit

„Hier kann ich mich prima weiterentwickeln und international spielen“ – Solche oder ähnliche Aussagen hörte man zuletzt häufig von jungen, aber hoch gehandelten Fußballspielern, die zu Borussia Dortmund wechselten. Auch die Medien, inklusive jene des Vereins, kultivierten den Ruf des BVB als Talentschmiede auf hohem Niveau. Ousmane Dembelé und Christian Pulisic sind aktuell die Aushängeschilder dieser Erzählung; frühere Beispiele waren etwa Shinji Kagawa oder natürlich unsere ‚eigenen‘ Mario Götze und Nuri Sahin.

Doch derzeit wird dieser Ruf der Schwarz-Gelben hinterfragt. War er etwa nur eine Legende? Die jüngsten Meldungen zu gleich drei jungen Spielern klingen nicht sonderlich positiv: Mikel Merino stehe vor dem Absprung, womöglich nach Bilbao. Alexander Isak habe sich nicht empfohlen und Emre Mor könne zumindest verliehen werden. Zwei der drei Jungs kamen mit extremen Vorschusslorbeeren nach Dortmund: Vom „neuen Zlatan“ und dem „türkischen Messi“ war die Rede. Was ist also schief gelaufen?

Die Erklärungsansätze haben zwei Richtungen: 1. Der Spieler ist schuld. Er hat sich nicht durchsetzen können und schließlich wird nach Leistung aufgestellt. Und 2. Der Verein respektive der Trainer ist schuld, weil sie dem Spieler nicht genügend Praxis gegeben haben. Aber natürlich liegt die Wahrheit wieder mal dazwischen. Mor und Merino hatten etwas mehr Spielminuten als Alexander Isak, der fast völlig außen vor war. Man sah gerade bei Mor Ansätze, aber seine Eigensinnigkeit konnte Fan wie Trainer zur Verzweiflung treiben. Alle drei Spieler konnten sich angesichts der Konkurrenz nicht nachhaltig empfehlen. Müssten sie also nun Konsequenzen ziehen oder einfach mehr Geduld haben?

Der moderne Fußball funktioniert eben so, könnte man meinen. Borussia Dortmund muss früher bei den Jungen anklopfen, bevor die ganz großen Vereine kommen. Man muss riskieren, unfertige Spieler zu verpflichten, die gelegentlich enttäuschen. Das ist einerseits richtig, erklärt aber nicht, warum man es zu einem Riesenkader von jetzt immer noch 31 Spielern kommen ließ. Fußballer, die so gut wie keine Chance haben, ihrem Beruf in Pflichtspielen nachzugehen, sind nicht zufrieden. Mich würde schon interessieren, wie sich Alexander Isak gerade fühlt.

Vielleicht war doch ein Hauch Jugendwahn und zu viel Ehrgeiz dabei, als man Jungstar nach Jungstar oder auch nicht mehr ganz junge Nationalspieler verpflichtete – und zu wenig auf Abgänge achtete, die oft schwieriger zu bewerkstelligen sind. Klar: Auch bei einem Kader von 23, 24 Spielern, den man als Verein mit Dreifachbelastung wohl braucht, könnten Mor, Merino und Isak scheitern. Selbst wenn sie mehr gespielt hätten. Und doch fühlt er sich nicht gut an, dieser aufgeblähte Kader.

Die vermeintliche Alternative läge auf der Hand: junge Spieler verpflichten, sie aber zunächst bei ihrem alten Verein oder einem anderen auflaufen lassen. Doch auch diese Vorgehensweise wird schwieriger: Entweder die Jungs fühlen sich sofort zu Höherem berufen oder es finden sich keine qualitativ passenden Vereine, die bereit sind, auf eine Kaufoption zu verzichten. Es bleibt zu hoffen, dass Michael Zorc, Hans-Joachim Watzke und Peter Bosz hier künftig mit etwas mehr Problembewusstsein agieren. In diesem Sinn ist es ein positives Signal, dass Watzke vor Kurzem weitere Neuzugänge vorerst ausgeschlossen hat.

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