Meister des Schweigens

Es gibt immer noch Journalisten, speziell im TV-Bereich, die es als ihre vordringliche Aufgabe ansehen, Jürgen Klopp, Michael Zorc, Aki Watzke oder einem der Spieler von Borussia Dortmund ein Wort zur möglichen Meisterschaft zu entlocken. Mögen sie noch lange auf Granit beißen! Denn die (Sport-)Medien nicht nur hierzulande haben ein Problem mit Oberflächlich- und Kurzsichtigkeit. Das ist keine ganz neue Erkenntnis, sondern leider in fast jeder Saison aufs Neue zu beobachten. Immer mal wieder gibt es zum Glück Vereine, die dem FC Bayern zeitweise ebenbürtig oder überlegen sind. Und immer wieder versuchen Journalisten, aus den Angestellten dieser Vereine das Geständnis zu pressen, dass sie sich doch Gedanken um die Meisterschaft machen. Wie bei einer Orange wird einfach immer weiter gepresst. Denn Bescheidenheit und Weitsicht sind schwer zu vermarkten – da könnte man ja gleich über Taktik berichten.

Ich will den Journalisten nicht vorwerfen, dass sie nach griffigen Aussagen und Formulierungen suchen. Aber konzentriert euch doch auf die Gegenwart, da gibt es genug Stoff – und sei es ‚Klopp und die Schiedsrichter‘! TV-Reporter unterschätzen die Zuschauer (und die Fans sowieso), wenn sie denken, dass die sich wirklich im November für irgendwelche Meisterschaftsprognosen interessieren. Alle, die Borussia Dortmund ernsthaft seit längerer Zeit mit Sympathie verfolgen, können darüber sowieso nur den Kopf schütteln. Von welchem Vorsprung reden wir denn? Sieben Punkte auf Mainz, neun auf Leverkusen, 13 auf Hoffenheim und 14 auf Bayern. Letzteres hört sich imposant an, ist es zum jetzigen Zeitpunkt auch, aber uns stehen noch etwa 3/5 der Saison bevor. Einem FC Bayern in Topform und mit Arjen Robben ist eine erfolgreiche Aufholjagd zuzutrauen – wenn der Rückstand bis zur Winterpause nicht deutlich größer wird.

Noch wahrscheinlicher erscheint mir ein Näherrücken von Bayer Leverkusen, die ich schon seit Saisonbeginn zu den Meisterschaftsfavoriten zähle. Was sind denn neun Punkte, wenn noch 21 Spiele zu bestreiten sind? Was kann da nicht alles passieren? Und niemand weiß, was passieren wird – weder Journalisten noch Fans noch sogenannte Experten. Auch nicht die direkt Beteiligten. Deshalb finde ich die Herangehensweise von Jürgen Klopp vorbildhaft und in ihrer Konsequenz viel erfrischender als ein erzwungenes Bekenntnis, Meister werden zu wollen. Denn die einzige Chance für einen Verein wie den BVB, in die Nähe der ersten drei Plätze zu kommen, besteht darin, von Spiel zu Spiel zu denken. Das ist keine Phrase, das ist Vernunft.

6 Kommentare zu „Meister des Schweigens

  1. Kann dir da nur voll und ganz beipflichten, Es gab in den letztenJahren genügend negativ Beispiele von Mannschaften denen eine Meisterschaft angedichtet wurde und die dann kläglich versagten.
    Nehmen wir zum einen Bayer Leverkusen letzte Saison, glaube es waren um die 25 Spiele ohne Niederlage, dann folgten 6 oder 7 sieglose Spiele und am Ende konnte man sogar noch froh sein das man das int. Geschäft nicht verpasste.
    Von Hoffenheim vor 2 Jahren will ich erst gar nicht anfangen.
    Man kann nur hoffen das die Spieler verletzungsfrei bleiben und die momentan verletzten schnell wieder zu ihrer alten Leistung finden. Weiterhin hoffe ich das der Rückrundenstart gelingt, denn der wird ja alles andere als einfach.

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  2. So schaut es aus. Gleich Mitte Januar gehts los mit der Spitzenpartie in Leverkusen. Das Gute ist, dass Klopp sowohl die sportliche Situation einschätzen kann, als auch ein Medienprofi ist, der weiß, wann er den Reportern Futter geben darf und wann nicht. Denn die Reporter, die jetzt nach der Meisterschaft fragen, sind die gleichen, die im Fall der Fälle sagen würden, die Dortmunder hätten sich zu sicher gefühlt.

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  3. Das kann ich so unterschreiben. Der BVB erinnert mich derzeit ein bisschen an Werder 2003/04, da haben die Verantwortlichen auch die Ruhe bewahrt und erst kurz vor Schluss von der Meisterschaft gesprochen, als es ihnen schon kaum noch zu nehmen war. Ich finde zwar, dass man schon seine Ambitionen unterstreichen darf, aber gerade ein junges Team, das noch keine Erfahrung mit einem Meisterschaftskampf hat, sollte man damit nicht unter Druck setzen. In ein paar Jahren mag das beim BVB schon ganz anders aussehen. Ich würde mir auch von Werders Verantwortlichen mal wieder etwas vorsichtigere Töne gegenüber den Medien wünschen…

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