Und plötzlich Spitzenreiter: BVB trifft vierfach gegen Eintracht

1.Bundesliga, 29. Spieltag / BVB 4 Eintracht Frankfurt 0

So ist Fußball eben auch. Und das ist, warum ihn so viele Menschen lieben. Da bist du völlig bedient nach einem unfassbar unnötigen Punktverlust, kriegst aber – dank Mainz – eine zweite Chance und stehst nach vier Toren plötzlich ganz oben. War das nur die gewohnte schwarz-gelbe Heimstärke oder kriegt die Borussia genau im richtigen Moment die Kurve?

Der Samstagnachmittag tickerte so vor sich hin. Da meldete sich mein Smartphone mal wieder mit dem Ton der Fußballergebnis-App. In Großbritannien war gerade Halbzeit – es musste sich also um ein Ereignis beim Spiel Mainz gegen Bayern handeln. Und tatsächlich: 1:1 stand es dort nun. Die App meldete sich noch zwei weitere Male mit Benachrichtigungen zu Mainzer Toren – beide Male starrte ich ungläubiger als zuvor auf das Display und der Jubel steigerte sich linear dazu.

Die Bayern und die Mainzer hatten dem BVB die Tabellenführung auf dem Silbertablett serviert. Die Schwarz-Gelben mussten ’nur noch‘ zugreifen – gegen den amtierenden Europa League-Sieger. Dabei konnte die Borussia wieder eine gestandene Innenverteidigung aufbieten: Hummels und Schlotterbeck begannen; Letzterer musste allerdings nach 25 Minuten durch Niklas Süle ersetzt werden.

Super Donny Malen

Es war eine widersprüchliche erste Hälfte, an der es rein ergebnistechnisch natürlich absolut nichts zu meckern gab. Die Gastgeber zeigten sich unglaublich effektiv nach vorne: Aus vier zielgenauen Schüssen aufs Tor und einem Expected Goals-Wert von 1,02 (Frankfurt: 0,84) gelangen ihnen drei Treffer. Das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass bei den Schwarz-Gelben nach vorne längst nicht alles funktionierte. So stark Julian Brandts Vorlage vor Bellinghams 1:0 auch war – ansonsten präsentierte sich der Spielmacher eher so wie in den letzten Wochen: mit vielen schlampigen Ballverlusten und einigen Fehlpässen.

Zum Glück gab es zwei Mitspieler, bei denen es bedeutend besser lief: Rafa Guerreiro und vor allem den erneut bockstarken Donyell Malen. Letzterer rennt, dribbelt, lässt Gegenspieler stehen und schießt, dass es eine Freude und Augenweide ist. Was für eine Flügelzange hätte der BVB, wenn Karim Adeyemi ähnlich ballsicher und weniger eigensinnig wäre? Spaß machte das gestern auch so schon.

Weniger überzeugend sah es jedoch hinten aus. Die Eintracht kam in den ersten 45 Minuten zu mehr Torschüssen (sieben), von denen allerdings nur zwei auf den Kasten gingen. Der BVB bleibt anfällig vor allem gegenüber schnellen und passsicheren Offensivspielern, die über die Flügel kommen. Der Ball ins Gesicht von Schlotterbeck und die späteren Oberschenkelprobleme des Ex-Freiburgers, die schließlich zu seiner Auswechslung führten, dürften nicht geholfen haben.

BVB endlich widerstandsfähig

Doch eines zeichnete die Defensivkräfte der Borussia gestern aus: Sie steigerten sich. Nehmen wir Julian Ryerson. In der ersten Hälfte des Öfteren ausgespielt, wirkte er später (noch) präsenter, lauffreudiger und aggressiver, gewann gefühlt auch mehr Zweikämpfe. Mats Hummels ließ seine Geschwindigkeitsprobleme nicht nur durch sein Kopfballtor vergessen. Und auch die Kollegen wirkten in der zweiten Halbzeit so, als ob sie mit aller Kraft eine Wiederholung der Ereignisse von Stuttgart verhindern wollten. So traten die Schwarz-Gelben souveräner auf, obwohl ihnen nur noch ein Treffer durch – natürlich – Malen gelang. Die SGE kam zu nur noch zwei Torschüssen (keiner davon zielgenau) bei einem xG-Wert von 0,13. Das war neben Donyells Auftritt das eigentlich Imposante an der Partie, wenn man sie mit den letzten Wochen vergleicht.

Edin Terzics Einwechslungen erfolgten abgesehen von Süle für Schlotterbeck recht spät. Sie schadeten nicht und halfen mutmaßlich dank der frischen Beine, den Erfolg in seiner Deutlichkeit zu sichern. Ein Statement konnten aber weder Marco Reus (ein Schuss neben das Tor) noch Youssoufa Moukoko (kam sieben Minuten später aufs Feld; laut Flashscore App eine Chance herausgespielt) abgeben. Özcan und Wolf taten, für was sie hineingekommen waren.

Der Kampf um die Meisterschaft

Selbstverständlich muss man den Erfolg richtig einordnen: Der BVB traf gestern auf eine Mannschaft, die ergebnistechnisch außer Form ist – ganz im Gegensatz zu deren Nachbarn aus dem Rhein-Main-Gebiet, die den FC Bayern bezwangen und am letzten Spieltag in Dortmund zu Gast sind. Aber die Borussia ist jetzt Erster und kann aus eigener Kraft Deutscher Meister werden. Natürlich schaut man jetzt auf das Restprogramm, das mehr Heim- als Auswärtsspiele beinhaltet. Das Gleiche gilt aber für den FCB. Der Rekordmeister hat noch ein schweres Heimspiel gegen Leipzig, dafür aber auch zwei Partien gegen die Vereine, die derzeit auf den Abstiegsplätzen stehen. Die Borussia hat neben Mainz mit Wolfsburg und Gladbach noch zwei sehr bis moderat unangenehme Gegner im Westfalenstadion.

Bei den jeweils zwei Auswärtsspielen der Meisterkandidaten hat der BVB die tabellarisch einfacheren Aufgaben (Bochum und Augsburg). Allerdings haben die Bayern in Bremen seit 2009 keine Punkte mehr abgegeben, in Köln liegt ein solches Ereignis immerhin zwölf Jahre zurück. Was natürlich für die aktuelle, doch ziemlich besondere Saison nichts heißen muss. BVB wie FCB haben die Qualität, das Restprogramm, wie es sich darstellt, erfolgreich zu gestalten. Es wird jetzt vor allem auf Nerven, Einstellung und Resilienz ankommen – zumindest, wenn beide Clubs von Verletzungen von Stammspielern (Nico?) verschont bleiben.

Die Aufstellung: Kobel – Ryerson, Hummels, Schlotterbeck (25. Süle), Guerreiro (70. Wolf) – Can – Bellingham (77. Özcan), Brandt (70. Reus) – Malen, Haller (77. Moukoko), Adeyemi. Gelbe Karten: Bellingham, Adeyemi. Tore: Bellingham, Malen (2), Hummels

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