Gekämpft, gepunktet, abgerutscht

1. Bundesliga, 18. Spieltag / Bayer Leverkusen 0 BVB 0

Borussia Dortmund verbessert sich gegenüber dem Heimspiel und holt einen Punkt in Leverkusen, doch Freiburg zieht vorbei. Jürgen Klopp sieht einen „Traumstart“ in die Rückserie, doch zunächst sind die Schwarz-Gelben Tabellenletzter. Was bedeutet das nicht völlig überraschende Unentschieden gegen die Werkself? Es gibt nicht die eine gültige Sichtweise, aber genügend Ansatzpunkte für eine Positiv-Negativ-Liste.

+ Der BVB hat den Abstiegskampf angenommen, ist gelaufen, hat gegrätscht und den Leverkusenern wenig Platz zur Entfaltung gelassen. Die Mannschaft wollte den Erfolg; das sah offensichtlich auch Roger Schmidt, Trainer der Gastgeber, so, der in der Nachspielzeit noch Defensivmann Papadopoulos einwechseln wollte.

+ Die Defensive stand deutlich stabiler als zuletzt. Vor allem das Duo Hummels/Sokratis in der Innenverteidigung hat seine Sache prima gemacht und sollte für die nächsten Wochen gesetzt sein. Selbst Marcel Schmelzer zeigte sich in den Defensiv-Zweikämpfen präsenter. Wenn man sich doch mal kalt erwischen ließ – etwa nach Mkhitaryans Fehlpass – bügelte man das mit starken Einzelaktionen (Hummels, Weidenfeller) wieder aus. Beim Lupfer von Castro kam etwas Glück hinzu.

+ Kevin Kampl scheint sich schnell als Verstärkung zu erweisen und den Aufstieg von Österreichs in Deutschlands höchste Spielklasse mühelos zu schaffen. Seine Handlungsschnelligkeit, etwa beim Weiterleiten von Bällen nach gewonnenen Zweikämpfen oder Laufduellen, lässt hoffen. Das Prädikat ‚Besonders wertvoll‘ gibt es auch für eine exemplarische Balleroberung im Mittelfeld, mithilfe einer seitlichen Grätsche. Denkt man daran, dass er hoffentlich in Kürze mit Gündogan und einem effizienteren Reus Pässe austauscht, braucht man sich keine Sorgen um die Spielkultur im Dortmunder Mittelfeld zu machen.

Gestern war diese allerdings bescheiden. Nuri Sahin und Matthias Ginter waren voll eingebunden beim Gegenpressing und Ablaufen von Bällen, doch beim Spielaufbau haperte es gewaltig. Einerseits ist das lange Vorschlagen des Balles, das Auf-Nummer-sicher-gehen ein zu akzeptierendes Mittel im Abstiegskampf, doch es führte auch zur höchsten Fehlpassquote (> 55%) seit mindestens zehn Jahren, seit diese Daten detailliert erfasst werden. Denn auch die Leverkusener machten ihre Sache defensiv gut und ließen sich durch die hoffnungsvoll nach vorne gepöhlten Bälle äußerst selten aus der Ruhe bringen.

– Wenige Torchancen gegen einen nominell starken Gegner nicht zu nutzen mag verzeihlicher sein als sehr viele gegen einen schwächeren. Doch noch ist alles andere als gewiss, ob die Chancenverwertung bald wieder steigt. Ciro Immobile hatte die größte Gelegenheit für den BVB und hätte anstelle seines Schusses aus spitzem Winkel noch mal querlegen können – was in dieser Situation von einem Stürmer allerdings viel verlangt gewesen wäre. Die Chance von Reus oder Versuche von Schmelzer und Sahin waren alle weniger zwingend. Von Jürgen Klopp hätte man sich die Einwechslung von Aubameyang gewünscht, wenn dieser doch auf der Bank saß.

Die Leverkusener schafften es phasenweise, über die Flügel (Bellarabi) Druck zu machen, bei Dortmund ist da nach wie vor wenig zu sehen. Schmelle mag defensiv stärker gewesen sein als zuletzt, aber offensiv kam von ihm bis auf den einen Schuss kaum etwas – wie auch von Großkreutz und Piszczek. Nach der Auswechslung des Letzteren rückte Sokratis nach außen und war mindestens genauso effizient. Nur durch die Mitte wird es für die Schwarz-Gelben auf Dauer nicht funktionieren. Für den Rest der Saison könnte ein fitter Kuba eine Alternative für rechts sein; Kampl macht auch auf links durchaus Sinn. Bis zum Sommer muss man sich dann – wie schon öfter geschrieben – Gedanken über die Außenverteidigerpositionen machen.

Nicht hilfreich für die Borussia war auch die Schiedsrichterleistung. Knut Kircher pfiff nicht richtig schlecht, aber in manchen Szenen zu großzügig (in anderen war das in Ordnung). Immobile wurde im Strafraum am Arm gezogen – tendenziell ein Elfer. Leno rutschte bei einer Abwehraktion mit dem Ball im Arm aus dem Sechzehnmeterrraum – ein klarer Freistoß für Dortmund, wenn das Schiedsrichter-Team das sieht. Zudem hätte Josip Drmic eine zugegeben harte Gelb-Rote Karte bekommen können, als er den Ball nach einem vermeintlichen Foul an ihm mit der Hand spielte.

Ein Punkt in Leverkusen kann per se eigentlich keine Enttäuschung sein. Doch die Borussia muss nun nachlegen, gegen Augsburg unbedingt gewinnen und in Freiburg eigentlich auch. Nach der kommenden Woche werden wir wissen, ob die zur Schau gestellte Zuversicht in den Vereinsreihen gerechtfertigt war.

Die Aufstellung: Weidenfeller – Piszczek (46. Subotic), Sokratis, Hummels, Schmelzer – Ginter, Sahin – Kampl, Reus, Großkreutz (62. Mkhitaryan) – Immobile (81. Ramos). Gelbe Karte: Schmelzer

3 Kommentare zu „Gekämpft, gepunktet, abgerutscht

  1. Ich persönlich bin mit dem Punkt in Leverkusen zufrieden und auch mit der gezeigten Leistung der Spieler. Hervorheben könnte man Immobile, der sich gut bewegte und die Leverkusener IV beschäftigte, Kampl der unheimlich viel ackerte und Weidenfeller, der sehr viel Ruhe und Sicherheit ausstrahlte.
    Reus war nicht wirklich drin im Spiel, zudem kam von Grosskreutz und anderen außen auch zu wenig.

    Wichtig ist noch hervorzuheben, das Klopp hier gezeigt hat das er nicht nur stur an einem System festhält sondern es geschafft hat seinen Spielern die für den Abstiegskampf nötige Spielweise einzuimpfen. Gegen Augsburg wird das nochmal ne Ecke schwieriger, da ich davon ausgehe das wir wieder das Spiel machen müssen.

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  2. Genau das wird entscheidend sein: Gelingt jetzt das Umschalten auf einen anderen Gegner, das Einstellen auf eine andere Spielweise, auf ein Heimspiel, aufs eigentlich gewinnen müssen. Spielen wir so wie gegen Leverkusen, holen wir höchstwahrscheinlich auch gegen Augsburg nur einen Punkt. Ich bin äußerst gespannt.

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