70 Millionen und eine Grippe

DFB-Pokal, Viertelfinale / Bayern München 1 BVB 0

icon_spielberichtfinalDie Bayern haben es geschafft: Nach gewaltigen Investitionen in die Mannschaft hat der deutsche Rekordmeister mal wieder ein Spiel von Bedeutung gegen Borussia Dortmund gewonnen. Ganz wollte man sich jedoch anscheinend nicht auf den eigenen Kader verlassen: Gut unterrichtete Quellen aus dem Bayern-Umfeld munkeln, Uli Hoeneß habe BVB-Abwehrchef Mats Hummels den Mann mit der Grippespritze vorbeigeschickt.

Der Dortmunder Innenverteidiger fehlte den Gästen in München augenscheinlich. Ob er gegen die formstarke Bayern-Offensive fehlerlos geblieben wäre, ist ungewiss, aber Hummels‘ stetes Engagement im Aufbauspiel vermissten die Schwarz-Gelben sehr. Ungewiss bleibt ebenso, ob Jürgen Klopp mit Mats auch auf das Tannenbaum-System umgestellt hätte. Großkreutz, Bender und Gündogan agierten gestern auf einer Linie hinter Reus und Götze. Sie sollten vermutlich durch frühzeitige Interventionen die Viererkette entlasten und dafür sorgen, dass auch ohne Hummels ballsicher von hinten heraus gespielt würde. In der Realität wurden die drei häufig überrannt und bekamen im Mittelfeld ebenso wenig Zugriff wie über weite Strecken Marco Reus.

Festzustellen bleibt, dass auch die gestrige Systemumstellung der Mannschaft keine Sicherheit gegeben hat – was wohl der Sinn der defensiveren Ausrichtung sein sollte. So muss man BVB-Geschäftsführer Watzke zustimmen, der nach dem Spiel einen seiner klügeren Sätze der letzten Wochen sprach: „Wir hatten Probleme durch den Ausfall von Mats Hummels, dadurch verändert sich unser Spiel.“ Es mag an zweifellos überzeugenden Bayern gelegen haben, doch vielleicht fehlte dem BVB mit der veränderten Taktik auch ein wenig der Mut. Dass es anders geht, bewiesen die Borussen in der zweiten Halbzeit, als sie nach einer frühen Schrecksekunde (Müller-Chance) die Partie über einen längeren Zeitraum kontrollierten. Klopps Entscheidung, ‚Kuba‘ Blaszczykowksi zunächst auf der Bank zu lassen, ist jedenfalls nur nachvollziehbar, wenn der Mittelfeldspieler nicht für 90 Minuten fit war.

Vor allem in der ersten Hälfte waren die Bayern im Mittelfeld viel präsenter, besetzten schneller die Räume. Martinez und Schweinsteiger ließen ihre Dortmunder Gegenspieler kaum zur Entfaltung kommen, wobei der Spanier nach einer üblen Grätsche gegen Lewandowski nah am Platzverweis wandelte. Das Pressing des FCB ist jedenfalls als Konsequenz aus den Dortmunder Erfolgen deutlich stärker geworden, obwohl die Gastgeber es in der zweiten Hälfte etwas schleifen ließen. Die Schwarz-Gelben wussten sich manchmal nur mit hohen Bällen zu helfen, die gegen die überaus stabile Bayern-Defensive ineffektiv waren.

Da vor allem Lewandowski und Reus kaum zu ihrem Spiel fanden, kreierte die Borussia auch durch ’normale‘ Angriffe zu wenig Torgefahr. Selbst im zweiten Durchgang waren die Torchancen des Rekordsiegers zahlreicher und gefährlicher, so dass Roman Weidenfeller zum besten Dortmunder avancieren konnte. Peinlich ist jedoch, dass es auch ohne das Mitwirken von Franck Ribery noch Bayern-Spieler gibt, die trotz aller Klasse versuchen, den Schiedsrichter zu täuschen.

Auch wenn das Tor des Tages durch Arjen Robben ohne die zu zögerliche Reaktion von Marcel Schmelzer zuvor in jenem Moment nicht gefallen wäre, war es selbstverständlich ein verdienter Sieg der Bayern. In München hat man aus den letzten beiden Jahren Konsequenzen gezogen und mit Hilfe der eigenen Finanzkraft eine Mannschaft geschaffen, die in einigen Punkten Borussia Dortmund kopiert, in anderen mit eigenen Qualitäten zu überzeugen weiß. Vor allem ist der Kader in der Breite besser besetzt als der des BVB – das hatten schon die letzten Wochen der Schwarz-Gelben gezeigt.

Was ist die Konsequenz aus der trotz allem bitteren Niederlage der Borussia? Eigentlich ist alles so gekommen, wie es zu erwarten war: Die Bayern haben sich ihre Dominanz zurückgekauft. Sie werden in Zukunft nicht unschlagbar sein, aber auf ein Wettrüsten mit ihnen kann und wird sich der BVB nicht noch mal einlassen. Man darf gespannt sein, wie sich die Verpflichtung des Trainers von Welt Pep Guardiola auswirken wird – über den ja nicht nur Positives zu hören ist. Für Borussia Dortmund gibt es immer noch genügend lohnende Ziele in dieser Saison, auch wenn vielleicht eine Epoche zu Ende gegangen ist: Das Viertelfinale in der Champions League ist machbar, einer der ersten drei Plätze in der Bundesliga sowieso, und am übernächsten Samstag macht die Mannschaft einen kurzen Abstecher nach Gelsenkirchen. Schließen wir deshalb mit wieder mal wahren Worten von Jürgen Klopp:

Irgendwie sind die Bayern ja die Einzigen, die diese [Kräfte-]Verhältnisse interessieren. (…) Die eigentliche Sensation ist ja, dass wir zwei Jahre so konstant waren und nicht, dass wir das im dritten Jahr nicht auch noch hinkriegen.

Die Aufstellung: Weidenfeller – Piszczek, Subotic, Santana, Schmelzer – Gündogan, Bender, Großkreutz (62. Blaszczykowski) – Götze, Reus (81. Schieber) – Lewandowski.

5 Kommentare zu „70 Millionen und eine Grippe

  1. Als Bayern Fan bin ich in erster Line froh über den Sieg. Die Unterschiede beider Mannschaften sehe ich derzeit eigentlich nur im Abwehrbereich. Hier ist Bayern in dieser Saison einfach deutlich sicherer.

    Zudem hat man meiner Meinung nach gestern wieder gesehen das der Kader des BVB nicht breit genug ist. Hat Lewa einen schlechten Tag hat man keinen zweiten wirklichen Stürmer.

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  2. Leider muß ich auch anmerken, dass es seit Wochen spürbar ist, wie sehr Lukasz Piszczek von seinen Hüftbeschwerden eingeschränkt wird. Sowohl im offensiven, wie auch defensiven Spiel hat er aktuell bei weitem nicht die Möglichkeiten sein Potenzial auszuschöpfen. Hier fehlt natürlich auch eine Alternative.

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  3. @camphansen: Stimmt, Piszczek schafft es derzeit allenfalls mal 20, 30 Minuten, an seine Topform anzuknüpfen, wenn überhaupt. Da sollte Klopp genau hinschauen und wenn es nicht anders geht, auch irgendwann sagen, dann muss halt der Back-up ran, auch wenn der ’nur‘ Kirch heißt. Der Punkt ist aber noch nicht erreicht.

    Ich habe auch irgendwo mal geschrieben, dass ich es fast wichtiger finde, wie unsere Defensive in der nächsten Saison aufgestellt ist als wer vielleicht Lewandowski ersetzen könnte. Da müssen sich Klopp und Zorc genau überlegen, wie viele Spieler wir für jede Position brauchen. Sie müssen sich zwischen 1:1-Alternativen, klassischen Back-ups und Nachwuchsspielern entscheiden. Und Klopp muss dann den Ersatzspielern im Ernstfall auch vertrauen.

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