Rückrundenzeugnisse 10/11

Eine gute Woche nach Ende dieser unglaublichen Bundesliga-Saison ist Borussia Dortmund immer noch Deutscher Meister. Man beginnt diese Tatsache langsam zu verstehen, damit umzugehen – obwohl man eigentlich aus dem Staunen immer noch nicht herauskommt. Es folgt nun sogar der Versuch, diese Spielzeit in Zahlen auszudrücken: Die Rückrundenzeugnisse für die Spieler stehen an. So ist es Tradition bei „Any Given Weekend“ und so soll es auch in der Meistersaison sein. Ich möchte betonen, dass sich die Beurteilungen und Noten (1 bis 10 Punkte) ausschließlich auf die Rückrunde beziehen – ein komplettes Bild ergibt sich zusammen mit den Bewertungen der Hinrunde.

Roman Weidenfeller: Roman blieb in der zweiten Saisonhälfte der sprichwörtliche „sichere Rückhalt“ hinter einer hervorragenden Viererkette. Dank der Jungs vor ihm musste der BVB-Keeper seltener ‚ran‘ als die meisten seiner Liga-Kollegen – umso höher ist es einzuschätzen, dass er, wenn es darauf ankam, so gut wie keine falschen Entscheidungen traf. Roman weiß, wann er einen Ball fangen kann und wann er ihn besser (weit) wegfaustet. So gut wie immer, wenn er aus dem Tor kommt, ist das notwendig und für ihn von Erfolg gekrönt. Seine Reflexe auf der Linie konnte er in einigen wenigen Szenen ebenfalls unter Beweis stellen. So bitter es für ein Talent wie Langerak ist: Weidenfeller war ein Hort der Stabilität und hat dank dieser Konstanz seine beste Saison für die Borussia gespielt. 8 P.

Mats Hummels: Die Dortmunder Innenverteidigung hat das sehr hohe Niveau der Hinserie halten können. Mats Hummels ist womöglich der beste Verteidiger der Liga, da er Zweikampf- und Kopfballstärke mit seiner großartigen Fähigkeit zur Antizipation verbindet. Diese hilft ihm nicht nur in der Defensivarbeit, sondern immer öfter auch beim Spielaufbau. Klar, Mats kann da NOCH besser werden, aber er hat in der Rückrunde einige beeindruckende öffnende Pässe gespielt, die zu Chancen und Toren führten. Natürlich ist auch er nicht komplett fehlerlos durch die letzten Monate gekommen, aber Hummels Sicherheit und Konstanz sind beeindruckend. Einer der Garanten für weiteren Erfolg in den kommenden Jahren. 8 P.

Neven Subotic: Man möchte ihm ein, zwei Extrapunkte für seine Feierqualitäten geben, aber das hat Neven ja gar nicht nötig. Er zeigte auch in der Rückserie alle Qualitäten, die ein Top-Innenverteidiger braucht: starke Tacklings, Kopfballstärke, Schnelligkeit und Antizipation. Offensiv ist er nicht ganz so gut wie Hummels, ein Tor gelang ihm 2011 noch nicht – aber das muss man von einem so starken Abwehrspieler auch nicht verlangen. 8 P.

Marcel Schmelzer: Insgesamt gesehen hat ‚Schmelle‘ in dieser Spielzeit einen Riesensprung gemacht – betrachtet man die Rückrunde im Vergleich zur Hinrunde, war keine Verbesserung mehr zu erkennen. Defensiv hatte er seine linke Seite weiterhin mit wenigen Ausnahmen sehr gut im Griff. Offensiv kam von ihm ein klein bisschen weniger. Marcel tauchte ein wenig seltener vorne auf, er schlug ein paar gute Flanken weniger. Das mag auch daran gelegen haben, dass der BVB in ein paar Rückrundenpartien das Flügelspiel ein bisschen vernachlässigte. Trotzdem sieht es weiterhin nach einer tollen Entwicklung bei Schmelzer aus. 7 P.

Lukasz Piszczek: Der Zweikampf um die Rechtsverteidiger-Position fiel aus, da Patrick Owomoyela nicht fit wurde. Nach den Eindrücken der Rückrunde hätte Lukasz Piszczek ihn sowieso gewonnen. Über unsere rechte Seite hatten es die Gegner schwer: Lukasz ist ein hartnäckiger Zweikämpfer und machte noch weniger Flüchtigkeitsfehler als in der Hinrunde. Was aber vor allem ins Auge fiel, war seine Dynamik auf dem Weg nach vorne – nicht nur am letzten Spieltag. Piszczek ist natürlich kein Dani Alves, der ein Spiel schon mal allein entscheiden kann. Das Gesamtpaket aus Einstellung, Defensivverhalten und Offensivstärke stimmt jedoch und macht ihn zu einer der größten Überraschungen der Saison. 8 P.

Sven Bender: 39 Pflichtspiele und nur drei gelbe Karten. Das ist normalerweise nicht die Bilanz eines defensiven Mittelfeldspielers. Sven Bender ist zweifelsohne einer und er blieb auch in der Rückrunde ein richtig guter. Denn trotz dieser geringen Kartenzahl ließ er nie Konsequenz und Klarheit vermissen. Bender spielte weiterhin unauffällig, auch wenn ihm in Kaiserslautern sein erstes Tor für den BVB gelang. Er ist der Stabilisator im Mittelfeld, der mit einem offensiver ausgerichteten Nebenmann am besten zurechtkommt. Und manchmal kann ‚Manni‘ auch feine Pässe. Traumhafte Entwicklung auch bei ihm. 8 P.

Nuri Sahin: Es war klar, dass die Gegner ihn in der Rückrunde auf der Rechnung haben würden. Dass sie alles tun würden, um seinen Wirkungsradius zu limitieren. In einigen Partien gelang das und Nuri tat sich schwer. Die Zahl seiner Tore und Vorlagen blieb hinter der der Hinserie zurück. Trotzdem blieb unser Spielmacher wichtig für das BVB-Spiel – und sei es manchmal nur, weil er Gegenspieler band und dadurch anderen mehr Platz verschaffte. Dass er fehlt, wenn er fehlt, konnte man in Mönchengladbach und Bremen sehen und vermutlich werden wir es auch nächste Saison noch merken. Zum Abschied und wegen seines tollen Tores gegen die Bayern gibt es 8 P.

Antonio da Silva: Für jemand, der sich letzten Sommer beim BVB nur warmhalten wollte, ist ‚Toni‘ zweifellos weit gekommen. Sein Vertrag ist um ein Jahr verlängert worden und nach Nuri Sahins Verletzung wurde er zum Stammspieler im zentralen Mittelfeld. Da Silva ist ein toller Freistoßschütze und spielt gute Pässe. In puncto Kreativität und Gedankenschnelligkeit kann er Nuri jedoch nicht ersetzen. Für seine Position hat er ordentliche, aber nicht überragende Zweikampfqualitäten. Toni wird in der nächsten Saison ohne Zweifel ein Back-Up bleiben, aber ohne Zweifel einer, dem man vertrauen kann. 6 P.

Kevin Großkreutz: Der Protagonist der Meisterfeierlichkeiten hat auch in der Rückrunde Einiges dazu beigetragen, dass es so weit gekommen ist. Einsatz und Laufbereitschaft waren bei Kevin schon immer da und wurden durch die Euphorie der letzten Monate sicher noch beflügelt. Auch wenn es nicht so oft so spektakulär wie bei Mario Götze aussah, kann auch Kevin gut kicken, wie sein Trainer sagen würde. Großkreutz war außerdem einer von denen, die die Mannschaft mit ihrem Optimismus immer wieder angetrieben haben. Dafür knappe 8 P.

Mario Götze: Man muss einfach nur noch mal das Tor gegen Hannover anschauen – das sagt eigentlich schon alles. Wenn Nuri Sahin mal einen schwächeren Tag hatte, war da meistens dieser 18-jährige, dem noch etwas einfiel. Ideen, Dribbling, Pässe und selbst der Abschluss sind für einen so jungen Spieler sensationell. Natürlich kann Mario noch nicht jede Woche am absoluten Limit spielen, denn das liegt verdammt hoch. Es wird jedoch in jedem Fall eine Freude, ihn noch einige Jahre in schwarz-gelb spielen sehen zu dürfen. Gute 8 P.

Kuba: Seine Schnelligkeit ist weiterhin Kubas größter Trumpf. Da er aber nach wie vor Torgefahr und Durchsetzungsvermögen vermissen lässt, saß er in der Rückrunde häufig auf der Bank und wurde als Joker eingewechselt. Kuba muss unbedingt effizienter werden, um auf der rechten Außenbahn wieder erste Wahl zu sein. Er hat die Anlagen, aber gegen Konkurrenten wie Götze wird es schwer. 6 P.

Robert Lewandowski: In der Hinrunde hatte es Robert aufgrund unseres Spielsystems mit nur einem Stürmer schwer. 2011 vertraute Jürgen Klopp ihm häufig die durch Kagawa Shinjis Verletzung vakante 10er-Position an. Jeder weiß, dass das nicht seine Paradeposition ist, aber was Robert daraus machte, war beachtlich. Es sind ihm nur noch drei Tore geglückt, aber sein Einsatz und seine Präsenz waren in einer Reihe von Spielen mitentscheidende Faktoren – unter anderem, weil sie wie bei Nuri Sahin anderen Spielern Freiräume verschafften. Nach jetzigem Stand der Dinge will der BVB keine weiteren Stürmer verpflichten. Diese Entscheidung beruht auf der Wertschätzung, die Klopp Lewandowski zu Recht entgegenbringt. 7 P.

Lucas Barrios: Lucas ist und bleibt unser Torjäger. Er hat in der Rückrunde in der Liga genauso oft getroffen und Tore vorbereitet wie in der Hinserie. Er hat wieder ein paar brillante Momente gehabt und auch ein paar Spiele, in denen er zu viele Chancen vergeben hat. Wenn er in jedem Spiel treffen würde, wäre er wohl schon woanders. Deshalb ist es gut so wie es ist: Wir haben in Barrios einen technisch starken und meistens torgefährlichen Stürmer, der auch vom Zusammenspiel mit seinen starken Mitspielern profitiert. 8 P.

Der Trainer – Jürgen Klopp: Bester Trainer der Bundesliga laut der „Kicker“-Umfrage unter den Profis (Kicker Nr. 42/2011, S. 7). Klar, diese Umfrage gewinnt meistens der Meistertrainer. So verdient wie dieses Jahr war das selten. Viel muss ich als Schwarz-Gelber da gar nicht mehr zu sagen. In der Rückrunde hat mich vor allem beeindruckt, wie Klopp sich äußerlich nie hat nervös machen lassen und die Mannschaft immer auf Kurs gehalten hat. Denn es war klar, dass die zweite Saisonhälfte nicht so perfekt werden konnte wie die erste. 10 P.

(Zahlen via „Transfermarkt.de“)

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