Sieg gegen die Absteigbaren

1. Bundesliga, 8. Spieltag / BVB 4 FC Augsburg 0

Die schwierigste und umstrittenste Frage nach dem deutlichen Sieg über den Aufsteiger wird die nach der Einordnung sein. Es war ja nur Augsburg, werden viele sagen. Die Sieglosen, die selber ihren Abstieg einkalkulieren und ihrem Trainer nach eigenem Bekunden auch dann die Treue halten würden. Die Frage wird sich für die Schwarz-Gelben erst nach dem Gastspiel in Bremen in knapp zwei Wochen beantworten lassen, denn die Augsburger waren vorgestern über weite Strecken wirklich so schwach, dass sie in der ersten Liga wenig verloren haben.

Die Henne- und Ei-Frage ist trotzdem erlaubt. Der BVB zeigte wieder Tugenden, die man in den letzten Wochen vermisst hatte: Genaueres Passspiel, Dominanz im Mittelfeld, eine sichere Defensive (allerdings mit Startschwierigkeiten) und vor allem endlich wieder Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. Passenderweise hatte ich unter der Woche beim Sportradio 360-Podcast zum Thema Rotation Stellung genommen und Wechsel für möglich gehalten. Dass Jürgen Klopp allerdings gleich viermal aus sportlichen Gründen wechseln würde, hat auch mich überrascht. Es zeigt, dass auch der Trainer Lehren aus den letzten Partien gezogen hat und die vorhandene Tiefe des Kaders ausnutzt, um alle Spieler immer wieder neu zu motivieren.

Die größte Überraschung war wohl der Wechsel in der Innenverteidigung. Felipe Santana, der so oft hinten anstehen musste, kam ins Team und machte bis auf einen frühen Stellungsfehler eine sehr gute Partie. Vor allem klärte er nach dem Missverständnis zwischen Weidenfeller und Hummels den Lupfer von Brinkmann stark per Kopf auf der Linie. Dass Gündogan wieder für Kehl in die Startelf rücken würde, hatte ich erwartet, dass Perisic beginnen würde, erhofft. Außerdem startete Kuba auf rechts und zeigte in der ersten Hälfte eine gute Leistung, inklusive Torvorbereitung beim 1:0.

In der frühen Phase des Spiels hatten die Gäste noch halbwegs mitgehalten und schon vor dem Dortmunder Abwehrfehler eine Chance durch einen Schuss von Mölders über das Tor gehabt. Der BVB wurde zunehmend überlegener, hatte Chancen durch Gündogan und Lewandowski, tat sich aber bis zur 30. Minute mit der massiven Gästeabwehr schwer. Zentral blieben die Schwarz-Gelben oft hängen und von den Flügeln kamen zunächst kaum brauchbare Flanken. Alles wie gehabt.

Der Führungstreffer stellte sich als der Inbegriff dessen heraus, was Jürgen Klopp mit seiner viel zitierten Metapher vom „Dosenöffner“ ausdrücken will. Im Anschluss war die Dose sperrangelweit offen. Das Tor war auch ein Symbol für die neue Herangehensweise, die der BVB in dieser Saison benötigt. Es war erarbeitet – durch konsequentes Nachsetzen. Götze und Kuba hatten nicht locker gelassen und den schwach abgewehrten Ball zu Robert Lewandowski gebracht. Der Stürmer traf mit einem schönen Drehschuss von rechts ins lange Eck.

Das Tor war der Auftakt zur Lewandowski-Schau. Noch in der ersten Halbzeit ließ Robert das 2:0 folgen, als er freistehend mit einem trockenen Schuss aus elf Metern traf. In der 78. Minute setzte er den Schlusspunkt per Kopf nach einer Vorlage von Götze. Die beiden waren die herausragenden Spieler der Partie. Drei Minuten zuvor hatte Lewandowski den Ball absolut sehenswert in den Lauf von Mario gelupft, der danach Torwart Jentzsch überlupfte. Die Bilanz des polnischen Stürmers: Ein Tor aus spitzem Winkel, ein platzierter Schuss, eins per Kopf, eins vorbereitet. Als nach einer guten Stunde Barrios für Kuba kam, spielte Lewandowski etwas zurückgezogen und behauptete auf dieser Position viele Bälle. All das am Ende einer Woche, in der selbst seriöse Kommentatoren wie Freddie Röckenhaus von der „SZ“ Robert die Eignung als Alternative zu Barrios abgesprochen hatten. Ohne das mit Statistiken über die Zahl der vergebenen Großchancen im Vergleich zum Argentinier zu untermauern.

Es ist ein wenig wie mit Miroslav Klose und dem FC Bayern. Ein nicht treffender Stürmer ist immer ein idealer Sündenbock. In Dortmund wollte niemand glauben, dass ausgerechnet das Traummittelfeld mit Götze, Kagawa, Großkreutz, Bender u.a. Probleme hat, sich gegen die tief stehenden Abwehrreihen der Gegner durchzusetzen. Zumindest wurde mancherorts die ‚Schuldfrage‘ falsch gewichtet. Auch bezüglich Lewandowski werden jetzt viele wie im ersten Absatz angedeutet argumentieren: Es war doch nur Augsburg. Und tatsächlich war es am Samstag einfacher als gegen die meisten, wenn nicht alle bisherigen Gegner. Dennoch: Auch Lucas Barrios, der seit Sommer 2009 beim BVB ist, gelang erst ein Hattrick für die Schwarz-Gelben – im Frühjahr 2010 in Nürnberg. Das Mindeste, was Robert verdient hat, ist ein fairer Wettbewerb oder möglicherweise eine Chance auf der Position hinter Barrios – auch wenn das nicht seine Ideal- und Lieblingsposition ist.

Manche Leute kritisierten, dass die Schwarz-Gelben das Spiel nach dem 2:0 kontrolliert verwalteten. Ich finde es legitim, gegen einen in der zweiten Hälfte komplett harmlosen Gegner mal eine Ruhephase einzulegen. Um dann im letzten Viertel, auch bedingt durch die Auswechslungen, noch mal anzuziehen. Noch weniger Verständnis als für diese Kritik kann man für die vereinzelten Pfiffe in der ersten Hälfte haben. Es ist unter Fußballfans weltweit ein immer wiederkehrendes Diskussionsthema, wann legitimerweise gepfiffen werden darf. Mir persönlich können diese paar Erfolgsfans gestohlen bleiben – dann sind halt ein paar hundert Plätze mehr frei.

Es gibt noch ein paar andere erwähnenswerte Randnotizen. Roman Weidenfeller hielt einen durchschnittlich geschossenen, berechtigten Elfmeter von Sankoh. Der BVB hätte nach einem Foul an Götze ebenfalls einen Strafstoß bekommen müssen. Vor allem hätte Schiedsrichter Rafati aber den Augsburger Hosogai nach einem üblen Tackling mit hochgezogenem Fuß gegen Löwe vom Platz stellen müssen. Es gab nur Gelb.

Unter dem Strich steht eine nach einer Viertelstunde konzentrierte Leistung gegen einen potenziellen bis wahrscheinlichen Absteiger. Nach diesen 15 Auftaktminuten gab es wenig zu kritisieren. Zu den Tugenden, die ein BVB-Fan in dieser Saison haben sollte, gehört Geduld. Nach meinem Eindruck versteht das auch die Mehrheit. Natürlich muss die Zugehörigkeit zum oberen Tabellendrittel am übernächsten Freitag in Bremen noch mit einer weiteren guten Leistung bestätigt werden. Es spricht schon jetzt vieles dafür, dass das ein Klassespiel werden könnte.

Die Aufstellung: Weidenfeller (7) – Piszczek (7), Santana (7), Hummels (7), Löwe (7) – Bender (7), Gündogan (6) (68. da Silva) – Kuba (6) (62. Barrios), Götze (8) (79. Großkreutz), Perisic (7) – Lewandowski (9). Gelbe Karten: Bender, Götze. Tore: Lewandowski (3), Götze

3 Kommentare zu „Sieg gegen die Absteigbaren

  1. Der Sieg gegen Augsburg tut gut und liefert 3 Punkte für das Selbstvertrauen. Wichtig war vor allem das wir auch in dieser Höhe gewonnen und in der 2. HZ kein Gegentor mehr bekommen haben.
    Auf der Verletztenliste ist niemand hinzugekommen und ein paar Spielern der ersten Garnitur wird es sicherlich gut getan haben eine Pause einzulegen.

    Ich würde dennoch keine Prognosen für das Bremen Spiel abgeben wollen. Das Einzige was ich vermute ist, das die Bremer sich nicht hinten reinstellen werden. Schade das die Länderspielpause für eine kleine Auszeit sorgt.

    Um nochmal auf die Pfiffe zurückzukommen..
    Ich frag mich immer wieder was es bitteschön bringt, seine eigene Mannschaft während des Spiels auszupfeifen? Das sich dies nicht gerade fördernd auf die Leistung der Spieler auswirkt ist doch verständlich. Man bringt Verunsicherung ins Team, obwohl doch jedem daran gelegen sein sollte das die eigene Mannschaft gewinnt.
    Klar haben die Fans auch das Recht ihren Unmut zu äußern, aber dann bitte nach dem Spiel!!!

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  2. Ich habe das Spiel nur als Zusammenfassung in der Sportschau gesehen. Dann iist es ja immer so eine Sache, ein Spiel zu beurteilen. Ich persönlich bin nur froh und dankbar, dass die Mannschaft nach dem Debakel bei OM eine Reaktion gezeigt und eindeutig mit 4:0 gewonnen hat. Das Robert drei Tore schoß, freut mich ganz besonders, da er seine Kritiker damit erst einmal mundtot machen konnte.
    Traurig bin ich, dass Neven nicht gespielt hat. Ich weiß, er hat Fehler gemacht, aber andere doch wohl auch? Felipe ist sicherlich ein Guter, aber ich hoffe, dass Klopp Neven weiterhin vertraut. Er ist ein sehr guter IVer, der seine Leistung bringen wird, davon bin ich überzeugt!

    Zu den Pfiffen kann ich nichts sagen, die kamen im TV gar nicht so rüber.
    Allerdings wurden die Leute in der letzten Saison arg verwöhnt und kapieren nicht, dass die Mannschaft im Moment durch ein (kleines) Tal läuft. In meinen Augen ist das normal und gehört auch für diese junge Mannschaft dazu! Denn sie sollen und wollen sich ja alle weiter entwickeln! Wenn dann nicht gleich marschiert wird und die Tore nicht rechtzeitig fallen, wird gepfiffen.

    Das Spiel in Bremen könnte durchaus richtungsweisend dahingegehend sein, ob sich die Mannschaft mit einem Platz im Mittelfeld der Tabelle zufrieden geben muss oder ob sie sich weiterhin nach oben orientieren kann. Ich bin gespannt!

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  3. @Andy: Falls das so angekommen ist, ich meine nicht, dass wir in Bremen favorisiert sind. Sondern dass es insgesamt ein gutes Spiel werden könnte. Ich erwarte ein offensiv geführtes Spiel von beiden Mannschaften, bei dem einige Tore fallen könnten. Am Wochenende gab es ja beim BVB vier und beim Bremen-Spiel sogar fünf. Aber wie das mit Prognosen so ist: Es könnte auch anders kommen, wenn beide Trainer angesichts der gegnerischen Offensivkraft erst mal besonders vorsichtig agieren lassen wollen.

    Zu den Pfiffen: Sehe ich genauso. Wenn die Mannschaft wirklich deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist, womöglich nicht 100% Engagement gezeigt hat, dann kann man am Ende des Spiels, wenn das Ergebnis feststeht, pfeifen. Die, die es vorher machen, sind für mich keine Fans im eigentlichen Sinne, sondern konsumorientierte Zuschauer, denen es nicht primär um den Verein und dessen Erfolg, sondern um ihre Unterhaltung geht.

    @Claudia: Neven wird sicher schon bald wieder spielen. Jürgen Klopp legt ja großen Wert auf die Feststellung, dass er den Innenverteidigern schon vor der Saison gesagt hat, dass auf dieser Position mal gewechselt wird. Einfach deshalb, weil Mats, Neven und Felipe qualitativ so dicht beeinander liegen. Dass es genau jetzt passiert ist, hat natürlich trotzdem mit den letzten Spielen zu tun.

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